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Bund/Länder Arbeitsgruppe legt ersten Bericht über »Munitionsaltlasten im Meer » vor
20|02|2012



Mit Seeminen beladene Schnellboote im Bunker [Bundesarchiv, Bild 101II-MW-6307-32 / Berndt / CC-BY-SA]

Gefahr erkannt! – Gefahr gebannt?

Nun ist es amtlich: 1.600.000 Tonnen versenkte Munition lagern noch direkt vor unseren Stränden. Aber welche Gefahren lauern und welches Konzept zum Umgang mit diesen tickenden Zeitbomben ist das richtige? Drei Jahre lang suchte eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Landes- und Bundesbehörden Antworten auf diese und ähnliche Fragen. Am 5. Dezember stellten die Beteiligten in Hamburg ihren ersten Sachstandsbericht der Öffentlichkeit vor [1].

Das Thema »Munition im Meer« hat in Deutschland eine lange Tradition. Etwa alle  20 Jahre wurde es durch die Behörden notgedrungen aufgegriffen – und immer wieder schnell vergessen. Durch eine Anfrage der Botschaft des Königreichs Dänemark vom 8. August 1969, die Auskunft über versenktes deutsches Giftgas bei Bornholm einforderte, mussten sich deutsche Behörden erstmals vertiefend mit dem Thema versenkte Munition befassen. Zwei umfangreiche interne Berichte über Giftgasversenkungen wurden durch das Bundesverteidigungsministerium 1969 und 1971 erstellt. Trotz damals formulierter eindringlicher Warnung, »dass die Gefahren nach über 20-jähriger Lagerung der Munition nicht geringer, sondern [...] wahrscheinlich größer sind als je zuvor« und eindeutiger Aufforderung, dass »es schnellen und wirksamen Handelns auf breitester Basisbedarf, um nicht abzusehenden Schaden, insbesondere für die Küstenbevölkerung und Fischer abzuwenden« , wurde schnell wieder der Schleier des Vergessens ausgebreitet.

Erst 20 Jahre später – kurz nach der deutschen Wiedervereinigung – wurden Stimmen laut, dass auch die ehemalige DDR Giftgasversenkungen durchgeführt habe. Gleichzeitig kam es zu einer Häufung von Giftgasunfällen in der Ostseefischerei, so dass das Bundesverkehrsministerium per Erlass vom 27. März 1992 die Einrichtung einer Bund/Länder Arbeitsgruppe »Chemische Kampfstoffe in der Ostsee« verfügte.

1993 legte die Arbeitsgruppe ihren 70-seitigen Bericht vor. Im Vergleich zu den beiden mehr als 20 Jahre alten, insgesamt 94 Seiten umfassenden Vorgängerberichten wurde nicht viel Neues herausgefunden. Zwar wurde der Katalog an Empfehlungen deutlich erweitert, eine Lösung des Problems für Mensch und Umwelt aber auf den Sankt- Nimmerleins-Tag verschoben: Für eine abschließende Bewertung des Gefahrenpotenzials von Giftgas im Meer müsse man abwarten, bis die Ergebnisse der vorgeschlagenen Untersuchungen und Aktivitäten Dritter vorlägen...

Dass im Bereich der deutschen Nord- und Ostsee neben den bis zu 5000 Tonnen Giftgasmunition noch 1,6 Millionen Tonnen konventionelle Munition mit rund 500.000 Tonnen gefährlichster Inhaltsstoffe lagern, wurde jahrzehntelang komplett ignoriert. Es ist das Verdienst des Landes Niedersachsen, sich 1989 erstmals diesem Problem gestellt zu haben. Bis 1993 wurden Recherchen in Archiven, aber auch Untersuchungen an Versenkungsstellen für konventionelle Munition durchgeführt. Obwohl die damals beauftragten Gutachter auf Grund des enormen Schadstoffpotenzials gezieltes Handeln einforderten, wurde das Problem gegenüber der Öffentlichkeit jedoch klein geredet und ad acta gelegt.

Neuen Schwung ins Thema brachten 2003 die »Modellhafte Erstellung eines Pilotberichts 2004 nach den Maßgaben der Wasserrahmenrichtlinie« für den Bereich Elbe-Helgoland [2] sowie 2005 hier in der WATERKANT publizierte erste Gedanken zur Verlegung der Nordstream-Pipeline durch munitionsverseuchte Gebiete in der Ostsee [3]. Schnell wurde klar, dass das Munitionsproblem viel größer ist als verantwortliche Stellen es jahrzehntelang öffentlich artikuliert hatten.

In ihren eigenen alten Akten, die in dunklen Archiven auf das endgültige Vergessen warteten, konnte der Autor sukzessive eine Vielzahl von Belegen und Hinweisen finden. Durch Publikation der wichtigsten Erkenntnisse vor allem auch in WATERKANT wurde eine übergreifende Diskussion zum Gefahrenpotenzial der Munition im Meer ausgelöst. Nach und nach erkannten Umweltorganisationen wie zum Beispiel die Aktionskonferenz Nordsee [AKN] und der Naturschutzbund [NABU] die Brisanz sowie gesellschaftliche und umweltpolitische Dimension des Themas und engagierten sich zunehmend mit eigenen Aktivitäten. Gleichzeitig griffen alle Medienformen – von Kurzmeldung bis Dokumentation – das Thema wiederholt auf.

Es entstand auf breiter Basis eine außerbehördliche Bewegung, die nicht mehr zu stoppen war und sehr wahrscheinlich schon früh in der einen oder anderen Amtsstube für ein erstes Nachdenken sorgte. Ein wichtiger Schritt war hierbei auch die seit 2007 bis heute fruchtende Zusammenarbeit zwischen Kieler Landesbehörden, Umweltschützern und heimischer Wirtschaft, die Auswirkungen von Unterwassersprengungen auf Meeressäuger durch Blasenschleier zu minimieren.

Wie so häufig sind es auf politischer Ebene zuerst die Oppositionsparteien, die unbequeme Themen aufgreifen und Lösungen einfordern. Die verschiedenen Aktivitäten mündeten in Anträgen der Grünen am 14. Februar 2008 im schleswig-holsteinischen Landtag und am 7. Mai 2008 im Bundestag, »die Zeitbombe der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee zu entschärfen« [4]. Beide Anträge wurden kurze Zeit später abgelehnt beziehungsweise durch den federführenden Ausschuss im Bundestag zur Ablehnung empfohlen [4]. Gleichzeitig gründeten still und leise Behördenvertreter aus Kiel und des Bundes am 29. Mai 2008 die AG »Munitionsaltlasten im Meer«, die am 26. Januar 2009 in die gleichnamige Ad-hoc-AG des Bund-Länder-Messprogramms »Meeresumwelt« [BLMP] überführt wurde [1].

Nach knapp drei Jahren Tätigkeit hinter verschlossenen Türen hat die Ad-hoc-AG am 5. Dezember 2011 in Hamburg ihren ersten Sachstandsbericht vorgelegt. Er umfasst eine zwölfseitige Kurzfassung und einen rund 1000-seitigen Ergebnisbericht, die beide im Internet frei zugänglich sind [1]. Und der langjährige Leser der WATERKANT wird sich fragen:
Und, gibt es Neues und Überraschendes? Die Antwort lautet: Ja und nein.

Überraschend ist, dass in der während der Pressekonferenz für die Medien verteilten zwölfseitigen Kurzfassung die vielen außerbehördlichen Aktivitäten seit 2003 bei der Darlegung des Hintergrundes, warum die AG überhaupt eingerichtet wurde, keines Wortes gewürdigt werden. Einzig und allein der 1993 vorgelegte Behördenbericht wird als alleiniges Standardwerk – was er seit längerem nicht mehr ist – bejubelt, jedoch seien »eine Aktualisierung der damaligen Befunde sowie die thematische Erweiterung auf konventionelle Munition aber inzwischen überfällig«.
 
Nein lautet die Antwort hinsichtlich vieler schon vor Jahren in WATERKANT publizierter Fakten [3], wie zum Beispiel Anzahl und Qualität der Unfälle mit Munition sowie Menge und Ort von Giftgasversenkungen. Auch nur leicht nach oben korrigiert wurde die Menge vorhandener Munition in der deutschen Nord- und Ostsee [1,6 statt 1,4 Millionen Tonnen].

Überraschend ist jedoch, dass Fakten wie zum Beispiel munitionsverseuchte Fische, die bis zum Verbraucher gelangt sind, weiterhin als nicht belegt abgetan werden. Das überrascht umso mehr, als etwa der Autor im Sommer 2011 von der Ad-hoc-AG kurzfristig gebeten wurde, die vorläufigen behördlichen Erkenntnisse kritisch zu prüfen. Als Ergebnis dieser Bitte konnte herausgearbeitet werden, dass nach offizieller Aktenlage bis in die 1990er Jahre mehrfach kontaminierte Fänge in Deutschland nicht beschlagnahmt worden sind [5].

Einerseits hat die AG viele auf Seekarten aktuell nicht eingezeichnete munitionsverseuchte Gebiete eingestanden [92 statt 30], andererseits wurde der Hinweis durch den Autor auf eine Vielzahl weiterer Munitionsverdachtsflächen mit Nichtachtung gestraft.

Auch die weiterhin viel zu optimistische Einschätzung der AG, wonach »derzeit nicht erkennbar ist, dass eine großräumige Gefährdung der marinen Umwelt über den lokalen Bereich der munitionsbelasteten Flächen hinaus vorhanden oder zukünftig zu erwarten ist«, wurde durch den Autor begründet zurückgewiesen [5]. So besteht versenkte Munition zu rund einem Drittel aus purem Gift. An der deutschen Nordseeküste ist daher mit rund 400.000 Tonnen gefährlichster Munitionsinhaltsstoffe zu rechnen, darunter befinden sich auch bis zu 400 Tonnen Quecksilber, was in etwa der zweihundertfünfzigfachen Jahresfracht an Quecksilber entspricht, die aktuell über die Elbe in die Nordsee eingeleitet wird. An der deutschen Ostseeküste beträgt die Belastung rund 100.000 Tonnen giftiger Munitionsinhaltstoffe mit bis zu 100 Tonnen Quecksilber, was sogar der dreitausendfachen Jahresfracht an Quecksilber entspricht, die dort über alle Fließgewässer und die Atmosphäre direkt in das Küstengewässer gelangt [5].
 
Jeder, der sich mit den Vorgaben aus der Wasserrahmenrichtlinie beschäftigt, wird zustimmen, dass diese riesigen Altlasten auch bei langsamer Durchrostung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über Jahrzehnte einen relevanten Beitrag zum Schadstoffcocktail unserer Küstengewässer beitragen, auch wenn es bisher im Detail nicht bewiesen ist. Das ist aber nicht verwunderlich, denn die AG stellt selbst fest: »Eine Dauerbeobachtung [Monitoring] der Meeresumwelt auf kampfmittel- beziehungsweise sprengstofftypische Verbindungen und deren Auswirkungen auf die Meeresumwelt findet bisher nicht statt.«

Im Rückblick hatte die Einbindung des Autors durch die Ad-hoc-AG im Sommer dieses Jahres wohl eher nur taktische Bedeutung. Aber das Negieren unangenehmer Erkenntnisse kann langfristig sicher nicht der richtige Weg für die Ad-hoc-AG sein. Nicht neu – da unter anderem in WATERKANT schon mehrfach propagiert –, aber positiv überraschend ist, dass jetzt auch die Behörden auf Grund des erkannten Belastungs- und Gefahrenpotenzials ein mehrstufiges Konzept zur Lösung des Problems »Munition im Meer« vorschlagen:
– Historische Erkundung
– Technische Erkundung
– Überprüfung und Überwachung von Umweltauswirkungen
– Abwägung der Gefahrensituation [unter anderem mit Umsetzung einer alten WATERKANT-Forderung nach einem Fischereiverbot für das Giftgasversenkungsgebiet bei Helgoland; warum diese Fürsorgepflicht nicht für alle Munitionsgebiete gelten soll, wird durch die AG bisher nicht erörtert].

Überraschend ist, dass Offshore-Aktivitäten wie Fischerei, Baumaßnahmen etc. insgesamt jedoch als gefährdet angesehen werden. Strände andererseits seien aber sicher, obwohl vor allem auf Wangerooge seit Jahrzehnten angespülte Munition eingesammelt werden muss [beispielsweise zwischen April 2006 und Oktober 2009 insgesamt 162 Kampfmittel, darunter 127 Granaten] und obwohl nachweislich in den vergangenen 20 Jahren deutlich mehr Unfälle an deutschen Stränden [mit 28 Phosphor-Opfern] zu beklagen sind als vergleichsweise bei Offshore-Aktivitäten [mit fünf Senfgas-Opfern].

Speziell das Phosphorproblem hat die AG bisher nicht im Griff. Phosphor aus Brandbomben, der oftmals an Stränden für Bernstein gehalten wird, ist der giftigste anorganische Stoff und kann sich selbst entzünden. Schon das Anfassen mit bloßen Händen führt zu Vergiftungen.

Nach einschlägigen Richtlinien darf Phosphor daher nur unter strengsten Sicherheitsauflagen berührt und transportiert werden. Vorgaben, die sich in dem von der AG erarbeiteten »Merkblatt und Hinweise für das Auffischen und Auffinden von Munition« zum Umgang mit Phosphor beim Bernsteinsammeln nicht wiederfinden. Während der Pressekonferenz hierauf durch den Autor angesprochen, wurde durch die AG eine kurzfristige Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur der Informationen hinsichtlich falscher, sprich gesundheitsgefährdender Empfehlungen zugesichert.

Neu und absolut zu befürworten ist, dass die Behörden sich einer öffentlichen Diskussion stellen und eine Vielzahl von Unterlagen zugänglich machen. Richtig ist auch, den Bericht als lebendiges und wachsendes Dokument anzulegen, um regelmäßige Aktualisierungen und fortlaufende Erweiterungen vornehmen zu können [!]. Trotzdem ist es unverzichtbar, den gesamten Prozess weiter kritisch zu begleiten sowie eine Berufung unabhängiger Experten in die Ad-hoc-AG einzufordern, damit nicht wie bisher kritische Themen ausgeblendet werden und irgendwann das große Vergessen wieder die Oberhand gewinnt. Nur so ist gewährleistet, dass »Gefahr erkannt! Gefahr gebannt!« Wirklichkeit werden wird.

Autor: Stefan Nehring

Anmerkungen:
1. Verfügbar unter: http://www.munition-im-meer.de

2.  Kurzfassung erschienen als: Nehring, Stefan, Beyer, Katrin & Reimers, Hans-Christian [2004]: Küstengewässer Elbe – ein Pilotprojekt zur Bestandsaufnahme nach Art. 5 EG-Wasserrahmenrichtlinie; in »Wasser und Abfall« 9: 16-19.

3. Thema Munitionsaltlasten in WATERKANT: siehe Jg. 20, Heft 3 / 2005, Seite 5ff., und Heft 4 / 2005, Seite 21ff.; Jg. 21, Heft 4 / 2006, Seite 21ff.; Jg. 22, Heft 4 / 2007, Seite 23ff.; Jg. 23, Heft 1 / 2008, Seite 5ff., und Heft 4 / 2008, Seite 9ff.; Jg. 24, Heft 3 / 2009, Seite 8ff., und Heft 4 / 2009, Seite 17ff.; Jg. 25, Heft 1 / 2010, Seite 20f., und Heft 4 / 2010, Seite 12f.

4. Schleswig-Holsteinischer Landtag: Drucksachen 16 / 1890, 16 / 2367, Plenarprotokoll 16 / 101; Bundestag: Drucksachen 16 / 9103, 16 / 12467.

5. Nehring, Stefan: Kritische Würdigung eines Berichtsentwurfs zu Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee; Koblenz, 15. August 2011.


Quelle: WATERKANT

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