Bild: GRUPPO635.com | hufenbach


UMZU













VERMISCHTES






WETTER



Mixt "NGO´s"













PARTEIEN



Bild: GRUPPO635.com | hufenbach





Bild: GRUPPO635.com | hufenbach
   
Seit 24-03-2022 online:

FOTO: Hufenbach
Zur Webside (https://help.gov.ua/): [Hilfe für die Ukraine]

Der zähe Streit um ein Atomtransport-Verbot [nicht nur] über bremische Häfen
13|07|2012



JadeWeserPort: Prima Containerbrückern auch für Atomtransporte?

Es geht nicht ohne Volksbegehren!

Als die Polizei im März 2010 auf der A1 einen Atomtransport stoppte, trauten die Beamten ihren Augen nicht. Der Rahmen, der den zylindrischen Behälter auf dem Lkw hielt, war an einigen Stellen nahezu durchgerostet. Geladen hatte der Lkw 15 Tonnen nicht angereichertes, radioaktives Uranhexafluorid aus den USA, das via Hamburg in die Urananreicherungsanlage in Gronau sollte. Der Lkw wurde aus dem Verkehr gezogen, der Behälter umgeladen ...

Damit geriet in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, was Anfragen in den Parlamenten der Stadtstaaten Bremen und Hamburg zuvor schon an den Tag gebracht hatten: Die Häfen in Bremerhaven und Hamburg sind Drehscheiben des internationalen Atomgeschäfts. Zwei- bis dreimal pro Woche wird in einem der beiden Häfen radioaktives Material unterschiedlicher Art umgeschlagen. 2009 rollten 92 Transporte mit Kernbrennstoffen über bremische Autobahnen, insgesamt 630 Tonnen; für diese Transporte war in der Regel Hamburg der Umschlaghafen. Weitere sieben Transporte mit rund 160 Tonnen unterschiedlichen radioaktiven Materials kamen oder gingen über Bremerhaven.

Atomtransporte über die bremischen Häfen beschäftigen die Bremische Bürgerschaft seit vielen Jahren – mindestens seit 1996 – und waren wiederholt auch Thema in der WATERKANT [1]; spätestens seit der Atomkatastrophe in Fukushima 2011 konnte es nicht mehr vom Tisch gewischt werden. Nachdem etliche frühere Anträge der Linksfraktion und in früheren Legislaturperioden [2] auch der Grünen zur Entwidmung der bremischen Häfen regelmäßig abgelehnt worden waren, verabschiedete die Bürgerschaft im Januar 2012 eine Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes, das nun den Umschlag von Kernbrennstoffen verbietet. Das Problem ist damit aber leider nicht gelöst: Die Mehrzahl der Transporte radioaktiven Materials findet weiterhin ungehindert statt – auch über die bremischen Häfen. 

Und das hat ebenso vielschichtige wie erschreckende Ursachen:

Seit dem Jahr 2008 hat es regelmäßig Anfragen zu Atomtransporten in den Bürgerschaften der beiden Hansestädte gegeben. Initiiert wurden sie von der Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz [MAUS e.V.] in Bremen, eingebracht haben sie die beiden Linksfraktionen in diesen Parlamenten [2]. Die Antworten lieferten umfangreiches Material über Transportwege, Transportmengen und Art der radioaktiven Materialien.


Absender und Empfänger der Transporte sind Länder in der ganzen Welt. Frankreich, Schweden, Korea, Australien, USA, England, Südafrika usw. – die Liste ist lang. Dokumentiert sind beispielsweise Transporte von Adelaide [South Australia] über Bremerhaven nach Narbonne an der französischen Mittelmeerküste. Im Zentrum der Transportwege stehen in vielen Fällen die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen, beide in Nordrhein-Westfalen.

Transportiert werden hauptsächlich Stoffe, die zur Herstellung von Brennelementen gebraucht werden oder bei der Herstellung als Abfall anfallen – angereichertes, nicht angereichertes oder abgereichertes Uranhexafluorid sowie Urandioxid. Transportiert werden aber auch „frische“ Brennelemente, plutoniumhaltige Kernbrennstoffe, waffenfähige Uranverbindungen, radioaktive Abfälle und anderes mehr. Als „klassischer“ Fall einer derartigen Atomfracht kann der Transport von nicht angereichertem Uranhexafluorid zur Urananreicherungsanlage in Gronau gelten. Dort wird es angereichert und weiter nach Lingen transportiert. In der Brennelementefabrik wird daraus Urandioxid hergestellt, das zu so genannten Pellets gepresst und zu Brennelementen weiterverarbeitet wird. Diese Brennelemente werden dann in die ganze Welt geliefert. Als Abfallprodukt entstehen in Gronau große Mengen abgereicherten Uranhexafluorids, auch das wurde und wird wiederum durch die Gegend geschickt, unter anderem im Jahre 2009 bis nach Russland.

All dies macht deutlich, welche Bedeutung diese Transporte haben. Sie sind unverzichtbarer Teil der Logistikkette der internationalen Atomindustrie, genauer: der Teil vor Einsatz radioaktiven Materials in Atomkraftwerken. Die Urananreicherungsanlage in Gronau hat Anreicherungskapazitäten für etwa 35 Atomkraftwerke und kann damit deutlich mehr AKW versorgen als in Deutschland noch in Betrieb sind. Diese Anlage und die Brennelementefabrik in Lingen sind auch nicht Bestandteil des Atomausstiegs. Sie werden auch nach 2020 weiter produzieren, die Atomtransporte werden also nicht weniger. Ein Ende der Atomtransporte ist nicht in Sicht – zumindest nicht, wenn man die Branche weiter gewähren lässt.

Jeder Transport radioaktiven Materials ist mit Gefahren verbunden. Zwar können solche Transporte, wenn sie verunglücken, beileibe keine Katastrophen vom Range einer Atombombenexplosion auslösen, egal, welches Unfallszenario angenommen wird. Aber ein gebrochener Behälter führt allemal zum Austritt von radioaktivem Material, also zur Verstrahlung des Bodens, des Grundwassers und der Luft.

Die daraus resultierenden Folgen für Mensch und Umwelt hängen jeweils ab vom Unglücksort und von der freigesetzten Menge. Da die Transporte per Lkw über die Autobahnen gehen, ist das Risiko, bei Unfall ein dicht besiedeltes Gebiet zu „treffen“, hoch. Und klar ist auch, dass die Spanne der möglichen Folgen einer radioaktiven Verseuchung von einem Anstieg der Krebshäufigkeit bis zur Evakuierung ganzer Landstriche reichen kann.

Die Transporte von Uranhexafluorid bergen allerdings eine weitere große Gefahrenquelle. Uranhexafluorid zerfällt, wenn es mit Wasser, also beispielsweise der Feuchtigkeit der Luft, in Verbindung kommt. Es entstehen eine radioaktive Uranfluoridverbindung und Fluorwasserstoff, auch Flusssäure genannt. Diese verätzt beim Einatmen die Schleimhäute und dringt durch die Haut und die Atmung in den Körper ein, wo sie ihre hochgiftige Wirkung entfaltet. Beim Einatmen liegt die tödliche Dosis ungefähr bei einem Milligramm Fluorwasserstoff pro Kubikmeter Luft.

Für den Transport werden Behälter des so genannten Typs 48 Y verwendet, die fast 13 Tonnen Uranhexafluorid aufnehmen können. Die Behälter müssen eine Temperatur von 800 Grad Celsius für 30 Minuten aushalten. Danach würde der Behälter platzen und in einem Umkreis von 500-1000 Metern käme es zu tödlichen Verätzungen und Vergiftungen. Ein solches Szenario ist denkbar, wenn beispielsweise ein Uranhexafluorid-Transport mit einem Tanklaster kollidiert und dieser in Flammen aufgehen sollte. Passiert so etwas auf einer Autobahn durch ein Ballungsgebiet, ist es mehr als fraglich, ob die Feuerwehr einen solchen Brand innerhalb von 30 Minuten löschen kann. Bisher ist dergleichen nicht passiert...

In allen Parlamentsdebatten wiederkehrend stellte sich die Frage: 
Kann ein Bundesland als Eigner der Häfen und ihrer Anlagen Atomtransporte verbieten oder zumindest einschränken? 

Ein Antrag der Linksfraktion in Bremen, diese Frage gutachterlich prüfen zu lassen, wurde in der Bürgerschaft abgelehnt. Nach weiteren Debatten und Nachforschungen beauftragte die Fraktion ein renommiertes Bremer Anwaltsbüro mit der Erstellung eines entsprechenden Gutachtens. 

Zusammengefasst kamen die Anwälte zu folgendem Ergebnis:

1. Gegen die Transporte auf der Bundesautobahn gibt es keine rechtlichen Möglichkeiten.


2. Das Parlament hat das Recht, das bremische Hafenbetriebsgesetz dahingehend zu ändern, dass der Transport und/oder der Umschlag von radioaktivem Material über bremische Häfen verboten ist.


3.Möglicherweise verletzt ein solches Transportverbot so genannte  Grundfreiheiten der EU [Warentransportfreiheit, Dienstleistungsfreiheit] oder andere Vorschriften und Gesetze. Darüber liegen aber noch keine Urteile vor, sodass man zunächst davon ausgehen kann, dass eine entsprechende Gesetzesänderung rechtlich möglich ist.


Als Gesetzestext wurde folgender Vorschlag unterbreitet:

„Das Befahren der Wasserflächen mit sowie die Durchfuhr, der Umschlag und die Bereitstellung von radioaktiven Stoffen im Sinne der Klasse 7 des IMDG-Codes ist nicht gestattet. Hiervon ausgenommen sind die gemäß Nr. 1.5.1.5.1 IMDG-Code freigestellten und nach Nr. 2.7.2.1.1 IMDG-Code den UN-Nummern 2908 bis 2911 zugeordneten Versandstücke“ [3].


Im April 2011 lehnte die Bürgerschaft einen Gesetzesentwurf der Linksfraktion, der eine wie oben beschriebene Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes vorsah, bereits in erster Lesung ab. Aber schon in den Debatten wurde klar, dass sich die Landesregierung aus SPD und Grünen unter Druck fühlte. Wer sich – wie SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen oder seine Grünen-Stellvertreterin Karoline Linnert – auf den Demonstrationen anlässlich des GAUs von Fukushima als Atomkraftgegner präsentiert, kann vor den Atomtransporten über bremische Häfen nicht die Augen verschließen. Der Druck nahm zu, als die Partei DIE LINKE beschloss, ein Volksbegehren gegen Atomtransporte zu initiieren.

Im Herbst 2011 legte daraufhin die Landesregierung ein eigenes Gutachten zur Frage der Hafenentwidmung vor. Am Gutachten der Linksfraktion wurde darin selbstredend juristisch kein gutes Haar gelassen. Die Regierungs-Expertise kam aber zu dem Schluss – man lese und staune --, dass eine Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes möglich sei. Vorgeschlagen wurde, die bremischen Häfen der Nachhaltigkeit zu widmen und daher den Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Atomgesetzes des Bundes [AtG] auszuschließen. Eine entsprechende Änderung wurde im Januar 2012 durch die Bremische Bürgerschaft gegen die Stimmen der CDU beschlossen. Die Unionsfraktion hat, unterstützt [oder getrieben] von der Hafenwirtschaft, inzwischen eine Klage gegen die Änderung des Hafenbetriebsgesetzes beim Staatsgerichtshof eingereicht.

Anti-Atominitiativen und die Linksfraktion kritisieren am neuen Gesetz, dass lediglich der Umschlag von Kernbrennstoffen ausgeschlossen wird und der Senat darüber hinaus Ausnahmegenehmigungen ohne Anhörung des Parlaments erteilen kann. Damit sind maximal 20 Prozent der Transporte über bremische Häfen ausgeschlossen. Folgerichtig wurde ein Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens initiiert, das eine Verschärfung des Gesetzes fordert. Dieser Antrag braucht zunächst 5000 Unterschriften, deren Sammlung läuft zur Zeit noch [4].

Die Debatte um die Entwidmung der bremischen Häfen für Atomtransporte hat übrigens auch eine Diskussion über die Funktion der Häfen insgesamt ausgelöst. Dabei geht es unter anderem um die Tatsache, dass über bremische Häfen Rüstungsgüter in alle Welt exportiert werden.


Autor: Klaus-Rainer Rupp*

Anmerkung:

*Der Autor ist Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft [Landtag] und gehört zum Vorstand der Fraktion DIE LINKE.


1. WATERKANT, Jg. 25, Heft 4 [Dezember 2010], S. 31 f.


2. Anmerkung der Redaktion: Ein Blick in die Bremer Parlamentsakten zeigt beachtlichen Wandel. In der 14. Legislaturperiode [LP] zwischen 1995 und 1999 hatten die Grünen in Antrag 14/1035 noch gefordert „Atomtransporte dauerhaft einstellen – Energiewende jetzt“. In der 15. LP [1999–2003] initiierten sie Debatten, aber keine Anträge, in der 16. LP [2003–2007] fand das Thema gar nicht statt. Anfang 2010 – siehe Artikelbeginn – waren Atomtransporte dann wieder Diskussionsgegenstand in der Bürgerschaft: Die Grünen und die SPD als Regierungskoalition forderten gemeinsam „Atomtransporte durch das Land Bremen verringern“ [Drucksache 17/1133], die Fraktion DIE LINKE wollte „Atomtransporte durch Bremen, Bremerhaven und über bremische Häfen stoppen“ [Drucksache 17/1155] – und die FDP brachte es fertig, „Transporte radioaktiver Substanzen optimieren“ zu wollen [Drucksache 17/1178].


3. Der IMDG-Code [International Maritime Code for Dangerous Goods] ist ein umfangreiches Regelwerk, das die UN-Schifffahrtsorganisation IMO erlassen hat und betreut, es regelt die Gefahrgutkennzeichnung in der Seeschifffahrt. Die genannten Ausnahmen betreffen beispielsweise Leerverpackungen. Eine deutschsprachige Fassung des IMDG-Code findet sich beim Bundeswirtschaftsministerium unter http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/UI/Gefahrgut/gefahrgut-recht-vorschriften-seeschifffahrt.html.


4. http://volksbegehrenatomtransporte.linksfraktion-bremen.de/startseite/


Quelle: WATERKANT

Anm. d. Bürgerportal-Redaktion:

Wenn Ihnen die Umwelt lieb ist, dann können Sie in Zukunft Fördermitglied der WATERKANT werden, oder sie abonnieren, was auch hilft.

Schreiben Sie einfach eine Mail an:
buero[at]waterkant.info


...oder wenden Sie sich an die Redaktion:
Redaktion WATERKANT
Burkhard Ilschner
Offenwardener Strasse 6
D-27628 Sandstedt / Unterweser
Tel.: +49 - [0] 4702 - 92 00 94
- bitte nur vormittags! -
Fax: +49 - [0] 4702 - 92 00 93


WATERKANT bestellen

WATERKANT Bestell Formular


Startseite/Aktuell | Kontakt | Links | Termine | Impressum | Karikaturen |
Fiktive Interviews| Schicken Sie uns Ihre Leserbriefe | Archiv | Spenden |
Leserbriefe | Newsletter |

Wilhelmshavener Momente

Bild: GRUPPO635.com | hufenbach

Die Darstelllung des "Trio Infernale Wilhelmshavens" sorgt für Aufregung.
Eine Menge Wilhelmshavener Bürgerinnen protestieren unter dem Motto "Planungswahnsinn am Banter See tut 5.000 Menschen weh" für den Erhalt des Banter Sees, so, wie er ist. Sie wehren sich gegen eine Wohnbebauung für "Priveligierte". Mehr dazu in einem Video ... [das Bild ist vom 15-07-2014] ... .... zum Video | youtube ...



Wenn Sie auch ihre ganz persönlichen Momente auf dem Bürgerportal Wilhelmshaven veröffentlichen möchten, senden Sie ihre Bilder an:
redaktion@buerger-whv.de
Vielen Dank!

Archiv:
Archiv | Wilhelmshavener Momente
nach oben