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Klage gegen Julia Klöckners Ernährungsministerium



Transparenz scheint nach wie vor keine Tugend von Politik und Industrie zu sein.

31|07|2019 | foodwatch fordert Herausgabe von Original-Studie zur Ampelkennzeichnung

- Ernährungsministerin Julia Klöckner hält eine wissenschaftliche Studie zurück, die offenbar der Lebensmittelampel "Nutri-Score" ein positives Zeugnis ausstellt 

- Auch auf mehrfache Nachfrage hin verweigert Frau Klöckners Ministerium die Herausgabe der Studie

- foodwatch: Anspruch auf Studie ist von Informationsfreiheitsgesetz gedeckt

Die Verbraucherorganisation foodwatch ist wegen der Geheimhaltung einer Studie zur Nährwertkennzeichnung gegen das von Julia Klöckner geführte Bundesernährungsministerium vor Gericht gezogen. Eine entsprechende Klage gegen das Ministerium reichte die Organisation am Montag beim Verwaltungsgericht Köln ein. Frau Klöckner hatte im April dieses Jahres einen von ihrem Ministerium redaktionell bearbeiteten Bericht des staatlichen Max-Rubner-Instituts zur Nährwertkennzeichnung bei Lebensmitteln vorgestellt - die zugrundeliegende Original-Studie mit der rein wissenschaftlichen Bewertung der Experten, die der Nutri-Score-Ampel ein positives Zeugnis ausstellt, will sie jedoch auch auf mehrfache Nachfrage von foodwatch nicht herausgeben.



"Frau Klöckner betont immer wieder, wie wichtig ihr Politik auf Basis von Wissenschaft und Fakten ist. Gleichzeitig hält sie eine wissenschaftliche Studie geheim, deren Ergebnis ihr offenbar nicht genehm ist", erklärte Matthias Wolfschmidt, Internationaler Kampagnendirektor von foodwatch. "Nur durch Offenlegung der wissenschaftlichen Beratungsgrundlagen ist es der Öffentlichkeit möglich, die sachlichen Gründe von politischen Entscheidungen nachzuvollziehen - deshalb verlangen wir die Original-Studie." 



Wie aus internen E-Mails des Bundesernährungsministeriums hervorgeht, hatte das Max-Rubner-Institut bereits im Herbst 2018 einen Bericht vorgelegt. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass die Nutri-Score-Ampel nach französischem Vorbild "grundsätzlich vorteilhaft für eine »Front of Pack«-Nährwertkennzeichnung" sei - so lautete die klare Einschätzung aus dem Bundesernährungsministerium zu den Forschungsergebnissen. In einem internen Vermerk hieß es allerdings, Ministerin Klöckner habe "ausdrücklich darum gebeten, [...] größte Vertraulichkeit sicherzustellen". Die "Prüfung der MRI-Studie" bedürfe noch "der Abstimmung mit anderen Referaten". Ein halbes Jahr später veröffentlichte das Bundesernährungsministerium dann eine offenbar überarbeitete Fassung der Studie. Bei der Vorstellung Anfang April bewertete Frau Klöckner den Nutri-Score zurückhaltend und betonte, man wolle eine Verbraucherbefragung durchführen und womöglich sogar ein eigenes Modell zur Nährwertkennzeichnung entwickeln.

foodwatch hatte auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes [IFG] mehrfach die Herausgabe der wissenschaftlichen Originalstudie verlangt. Frau Klöckners Ministerium hatte zuletzt am 4. Juli 2019 die Herausgabe unter Bezugnahme auf verschiedene Bestimmungen des IFG abgelehnt [§ 3 Nr. 3 lit b. IFG und § 4 IFG], welche das gemeinsame Überlegen, Besprechen bzw. Beratschlagen zu treffender Entscheidungen unter den Schutz der Vertraulichkeit stellen.

Dieser Schutz gelte jedoch nicht für die Beratungsgrundlagen, wie Sachinformationen und gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld oder für den Beratungsgegenstand und das Beratungsergebnis, entgegnete foodwatch. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung im Jahr 2012 klargestellt [BVerwG, NVwZ 2012, 1619]. Bei dem MRI-Bericht handele es sich nach Auffassung von foodwatch allenfalls um eine solche Beratungsgrundlage, die somit herauszugeben sei.

"Die politische redaktionelle Bearbeitung von wissenschaftlichen Gutachten und Stellungnahmen vor deren Veröffentlichung widerspricht nicht nur jeder guten Regierungs- und Verwaltungspraxis. Dieses Gebaren untergräbt zugleich die Freiheit der wissenschaftlichen Expertise und den faktenbasierten öffentlichen Diskurs über politische Entscheidungen", sagte Matthias Wolfschmidt.

Die Nutri-Score-Ampel wird bereits in Frankreich und Belgien verwendet, Spanien und die Schweiz haben ihre Einführung angekündigt. Das Modell nimmt eine Gesamtbewertung der Nährwertzusammensetzung eines Produktes vor, indem es ernährungsphysiologisch günstige und ungünstige Nährwertbestandteile miteinander verrechnet und auf einer von grün nach rot abgestuften Farbskala einordnet. Mit dem Nutri-Score lassen sich so die Nährwerte verschiedener Lebensmittel wie Tiefkühlpizzen, Frühstücksflocken oder Fruchtjoghurts auf einen Blick vergleichen.



Bundesernährungsministerin Julia Klöckner weigert sich bisher diese Ampel zu unterstützen. Stattdessen will sie bis zum Ende des Sommers eine Umfrage unter Verbraucherinnen und Verbrauchern durchführen und unter Umständen ein eigenes Modell einführen. Nicht nur foodwatch, sondern auch Ärzteverbände, Krankenkassen und Verbraucherorganisationen in vielen europäischen Ländern fordern schon seit langem verbindliche Maßnahmen gegen Fehlernährung und Übergewicht - eine verständliche Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben ist dabei ein wichtiger Baustein.

Quelle: foodwatch



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