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Negative Ionen über Ostfriesland Ostfriesland, den 19|12|2006 [Sie können sich die Weihnachtsgeschichte unter dem Bild auch downloaden und ausdrucken!]
[DOWNLOAD_Weihnachtsgeschichte 2006]
Moin! Anstelle eines sonst üblichen Weihnachtsgeschenkes präsentieren wir Ihnen diesmal eine etwas andere Weihnachtgeschichte, mitten aus Ostfriesland, wo der Weihnachtsmann lange um eine Ausnahmege- nehmigung bei der Polizei bat, damit es wie eh und je mit dem Kaminbringdienst am 24. Dezember jeden Jahres klappt. Lesen Sie selbst, was vor einigen Jahren in Ostfriesland geschah und warum Bauer Hasenkamp inzwischen so oft besucht wird und Sillenstede kein beliebiger Punkt mehr auf der Landkarte ist!
Vornab wünschen wir Ihnen ein besinnliches Weihnachts- fest, einen exzellenten Rutsch ins nächste Jahr und passen Sie während der Feiertage gut auf, denn es könnten un- gewöhnliche Tierchen Ihren Weg kreuzen, und sollten Sie immer noch keinen Kamin haben, dann wirds jetzt aber Zeit!
_____________________________________________________ ...und hier nun die Geschichte:
Negative Ionen über Ostfriesland Es begab sich zu einer Zeit, als die Werbekataloge für Weihnachten schon längst als Wurfsendung in den Papierkorb gelangt waren und Millionen enttäuschter Fans sich wie alle Jahre wieder über diesen Megaschrott beklagten, der wie immer billig abzugeben war. Die vielen „Fillialen“ des Weihnachtsmannes versuchten sich im Schlaraffenland der Anpreisung von immer schnelleren und höheren Geschenken, währenddessen diskutierten Mann und Frau über die Abschaffung des Buß- und Bettages - in Gedanken schon unterm glitzernden Tannenbaum weilend - Kerzenschein all around und Liebe, wo man nur hinschaute.
Abgehakt war der Streit vom vergessenen Geburtstag, den vielen versäumten Chancen im Leben, dem verlorenen Beauty-Case auf dem Züricher Flughafen und dem nie enden wollenden megaheißen Sommer, der uns in die entlegensten Winkel trieb, um ein wenig Schatten zu finden.
Das Jahr neigte sich dem Ende zu und alle überlegten fieberhaft, was denn zu tun sei, auf das Silvester gelänge. Die Probleme türmten sich `gen Himmel und der Weihnachtsmann hatte alle Hände voll zu tun, um mit diesen imaginären, babylonischen Höhen nicht zu kollidieren. Sein Flug zu den Schornsteinen war nun doch etwas kurvenreicher geworden und die Zeiten, als Rotwild als Zugmaschinen noch billig zu haben waren, hatten sich durch die schleichende Inflationschon etwas länger erledigt.
Es begann mit der, allem zugrunde liegenden Entscheidung: „Wie also nun das treue Rotwild ersetzen, in Zeiten, da gewisse Lappen ihre Rentiere im Keller einschlossen und das Schwarzwild sich in Gehegen auf der Suche erlesener Trüffel herumtrieb. Da konnte man nicht so einfach vom Himmel fallen und sagen: „Hallo, ich bin der Weihnachtsmann. Ich hätte gern zehn tolle Hirsche von Ihrer Koppel da für meine Kutsche!“ Man würde sich ja vollkommen lächerlich machen.
Eine Alternative waren die vielen Pinguine, die sich aus unerklärlichen Gründen wie Heuschrecken in der mittleren Antarktis ausbreiteten und hier billiger denn je zu haben waren.
Sie galten als unglaublich wendig und ihre Flugeigenschaften als mindestens hervorragend. Hier muß man allerdings hinzufügen, daß der liebe Weihnachtsmann die drolligen Kerlchen erst nach etwa zweieinhalb Jahren und drei Beinahenervenzusammenbrüchen dazu bewegen konnte, sich in die Lüfte zu begeben.
Sie sahen zwar wie Vögel aus, aber wir kennen ja dieses Pack von Grafik Designern, die es vorzüglich verstehen, aus einem Dreirad eine Höllenmaschine zu stricken, die mit grazilen Bewegungen den Raum durchkreuzt, kein FCKW enthält, in jedes Handschuhfach paßt, niemals eine Reifenpanne hat und vor allen Dingen keinen Sprit frißt.
Hier sei nicht zu vergessen das Wort: „...von wegen!“, denn der Deal mit dem Fischhändler hatte unseren St. Nikolaus [selbst gewähltes Pseudonym] somanche graue Zelle gekostet.
Also, wie jetzt: Zweiundzwanzig Pinguine oder ein etwas betagter Blauwal!? Und obwohl der Wal verlockend viel billiger war entschied sich St. N. für die Königspinguine.
Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellte, denn man führe sich nur vor Augen wie unendlich schwierig sich die Fortbewegung eines Wals auf schlickigem Grund angeht und wie unauffällig.
[Kleine Frage am Rande] „Und bei Flut?“- Ihr Dussel! - kein Thema! Es hätte in allen Gazetten auf der Titelseite gestanden: „St. Nikolaus! In Wirklichkeit ein Tierquäler - Verbündeter der Walfänger! Nie wieder Weihnachten!“ - ganz zu schweigen von den Megatonnen von Plankton und Krill. Da hätten der Fischer und sin Fru aus Neuharlingersiel wohl das Netz in die Schleuse geschmissen!
St. N. mußte dem Fischhändler klarmachen, daß seine jüngst erstandenen Zuggesellen etwa dreißig Kilo kalte Heringe pro Tag verschlangen, ohne mit der Wimper zu zucken und finde mal Jemanden eben so, der diese Menge jeden Tag aus dem Ärmel schüttelt. Aber ganz unter uns, wenn schon Seegras keinen Einfluß auf Ebbe und Flut hat, Ostfriesland macht´s möglich. In dieser Gegend hatte der Weihnachtsmann ein Übungsterritorium ganz billig erworben, zwischen Festland und deutlich vorgelagerter Insel, auf dem er mit seiner Königspinguinbrut zu jeder Tages- und Nachtzeit üben konnte.
Der Schlick war herrlich und es war fast immer tolles Wetter. Hier wurde man nicht gleich für verrückt erklärt, wenn man sich hinter zweiundzwanzig schwarzweißen watschelnden Viechern, in einer Kutsche mit Kufen, mitten im Sommer schwitzend in ein rot-weißes Gewand gehüllt, fortwährend laut vor sich hinbrüllend: „Los jetzt ihr [...beliebiges Schimpfwort einsetzen]“, über den Boden bewegte. Es ist müßig zu erklären, was diese zweieinhalb Jahre im Leben des St. N. bedeuteten.
Nach schnell überwundenen Anfangsschwierigkeiten stand nun doch unausweichlich die Frage im Raum: „Wie überwinden zweiundzwanzig kniffigste Königspinguine, eine etwa zweihundertvierzig Kilogramm schwere Kutsche samt Inhalt und Weihnachtsmann die Erdanziehungskraft?“ Diese Frage kam nämlich nicht von Ungefähr. Pinguine sind, wie schon gesagt, höllisch billig, aber sie haben wie alle höllisch billigen Dinge im Leben - einige Haken: Sie lernen allgemein nur sehr widerwillig und sie ziehen wirklich alles in den Schmutz. Das Territorium vor den Stränden und Strandkörben von Neuharlingersiel ist zwar weitläufig, aber zuweilen etwas feuchter Natur. Bei Flut machten die Übungen diesen verflixten Viechern immer besonders viel Spaß - und wie das so ist, ging dabei alles baden. Am Anfang war es noch einigermaßen lustig: So mit etwa sechzig Stundenkilometern unter Wasser,´ne schlingernde Kutsche samt Weihnachtsmann hinter zweiundzwanzig jauchzenden Pinguinen. An den Umstandsanzug aus Neopren hatte St. N. sich schnell gewöhnt. Die Begegnung mit dem Surfer Hannes N. aus Dangast [...wohl ein Namensvetter] am Strand von Cuxhaven hatte ihn schnell überzeugt, völlig außer Atem und wie immer bei Flut: triefnaß und am ganzen Körper vor Kälte zitternd.
Neopren hieß also das Zauberwort und ein Kumpel des Hannes N. aus der Plastikbranche hatte es schnell besorgt, dieses hautenge Négligé - natürlich in den richtigen Farben mit der Sonderanfertigung dieser Zipfelmütze, auf die St. N. trotz vehementer Beteuerungen und dem Hinweis auf Lächerlichkeit unbedingt bestand. Kälte und Nässe waren nun überwundene Nebensächlichkeiten.
Die Zeit der Generalproben lag auch schon Monate zurück, als St. N. das Training als Ernstfall beschloß und die ganze Schinderei nun mitsamt Geschenken versuchte. Keine Attrappen wohlgemerkt, sie waren alle echt schön eingepackt und nach den ersten fünfzehn Generalprobenversuchen ziemlich versaut, wie man wohl zu sagen pflegen würde.
Der Ärger war ungeheuer und der Weihnachtsmann höllisch wütend und so ganz ungehalten, eigentlich kannte er sich garnicht wieder - fluchend unterm Himmelszelt!
Nach einer reichlichen Anzahl schlafloser Nächte und einem Rhetorikkurs für Pinguine mit dem fürchterlichen nie enden wollenden Satz zum hinter die Ohren zuschreiben: „Ihr bekommt keine einzige Makrele mehr, wenn Ihr nicht aufhört mich zu ärgern!“- besannen sich die zweiundzwanzig munteren Gesellen doch noch und was sind schon fünfzehn versaute Kutschladungen - rein garnichts, im Vergleich zu dem, was da noch kommen sollte.
Wir stellen uns jetzt vor, es ist kurz vor Weihnachten und zweiundzwanzig Pinguine ziehen nun endlich eine Kutsche über Wasser, so richtig zwischen Himmel und Erde, bei jedem Wetter und ohne zu murren, aber sie wollen einfach nicht fliegen! Übrigens, die Lösung für die Überwassertouren waren nicht etwa die famosen Überredungskünste des Weihnachtsmannes - weit gefehlt! Es war einfach nur die Tatsache, daß Neuharlingersiel in der Nähe einer Großstadt mit dem Namen Aurich liegt.
Aurich ist zwar traurich, aber in diesem Luftkurort nicht unweit der Nordsee gibt es jede Menge Schwimmflügel. Gesehen, gekauft und an die Kutsche geschnallt, so einfach geht das!
Jetzt müssen wir uns aber nochmals erinnern an die Werbung und die Sache mit dem Dreirad und der Höllenmaschine.
Schon wieder Nächte ohne jeglichen Schlaf, nach fast zweieinhalb Jahren intensivsten Königspinguintrainings. War alles vergebens, sollte St. N. nun doch seinen Gang zum Arbeitsamt von Emden gehen müssen oder war doch noch Rettung in Sicht?
Der Termin rückte gnadenlos näher. Während der Weihnachtsmann nämlich so die Jahre übte wurden seine ehemaligen Zugtiere aus dem Rotwildbereich doch etwas altersschwach und Anfang des Jahres hatte er sie schweren Herzens mit erheblichem Verlust verkaufen müssen.
Sie äsen jetzt in Sillenstede so vor sich hin, auf der sogenannten Ruhestandskoppel. Sie können sie ja einmal besuchen, sollten Sie nach Sillenstede kommen, um dort Urlaub zu machen. Wenn Sie auf Bauer Hasenkamp treffen und er Ihnen erzählen will, daß er dieses Prachtwild von St. N. ganz billig erstanden hat, so dürfen Sie ihm ruhig glauben, denn Ostfriesen lügen nicht!
Was also tun: „Zweiundzwanzig Pinguine wollen einfach nicht in die Luft gehen und der Tag X kommt immer näher – Würde Weihnachten ausfallen müssen?!“
Die Lösung ließ nicht lange auf sich warten, sie lag näher, als vermutet und beweist, daß Ostfriesen schlaue Kreaturen sind.
Der Fischer und sin Fru saßen so in der Kneipe von Nebenan zusammen, als ein genialer Einfall die Runde machte. Die Fru des Fischers besann sich, ein Buch gelesen zu haben, in dem von fliegenden Fischen die Rede war. Man könnte doch diese Viecher vor den Schnäbeln der Pinguine hertreiben, so nach dem Hase-Mohrrüben-Prinzip.
Das war´s - die Lösung - dafür hätte so mancher Dr. rer. nat. ganz schön lange stricken müssen. Der Weihnachtsmann stand Kopf, die Kneipe brüllte vor Lachen und zur Verwunderung aller klappte es doch! Der Fischer von sin Fru rief seinen ehemaligen Klassenkameraden auf den Phillippinen an und bat ihn um drei Eimer Lebendgut, welches umgehend per Eilpost in Marsch gesetzt wurde.
Seit dieser Zeit werden in Neuharlingersiel fliegende Fische gezüchtet und abgerichtet, gleich hinter der Feuerwehr in einem Weiher namens: Löschteich!
Nun ist es im Schlafzimmer des St. N. wieder friedlich. Ihn plagen weder Termine noch Alpträume und Pinguine sind fabelhafte Wesen die sich nie und nimmer überlisten lassen, die trauen nur ihren Augen - und was die alles lernen, in nur zweieinhalb Jahren! Der Fischer und sin Fru sind inzwischen die dicksten Freunde des Weihnachtsmannes, ist doch wohl klar!
Sollte jetzt noch irgend jemand behaupten, daß Ostfriesen dumm sind, dann fahre der doch bitte nach Neuharlingersiel und überzeuge sich selbst, vielleicht nicht gerade zu Weihnachten, da hat St. N. nämlich alle Hände voll zu tun!
P.S. Diese Geschichte ist weder erstunken, noch erlogen, sie ist einfach aus der Luft gegriffen und wers glaubt wird selig oder fährt jetzt über Sillenstede nach Neuharlingersiel!
Frohe Weihnachten und tschüss bis Zweitausendsieben!
©GRUPPO|635 Dezember 2006
FIN
Wolf-Dietrich Hufenbach Dokumentarfilmer aus Wilhelmshaven und Michael Kusmierz Künstler aus Dangast im Auftrag "unendlicher Geschichten" in der Kommune!
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