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Bauermeisters Nanny-Rhetorik 18|02|2015
Götz Werner, ein Unternehmer [dm], der schon lange freiwillig über dem Mindestlohn zahlt, ohne daß ihm das eine Nanny vorher gesagt hat.
Angesichts gleich zwei abgedruckter Lobeshymnen-Leserbriefe in ein und derselben Ausgabe der Containerzeitung [gestern, 17. 02. 2015] zugunsten des Ex-Arbeitgeber-Lobbyisten, Feierabend-Kolumnisten Lutz Bauermeister, fühle ich mich jetzt doch genötigt, meinen Senf nun auch noch dazu zu geben.
Ergebnis vorab: Ich finde es überhaupt nicht schlimm, daß Herr Bauermeister mit seinen mitunter steilen Thesen provoziert.
Das ist theoretisch sehr erfrischend. Ich finde es nur anstrengend, wenn er dabei inhaltlich manipuliert.
Als Beispiel dazu sein "Moment mal" vom 27. Januar 2015: Darin läßt sich der ehemalige Arbeitgeberverbands-Funktionär über einen angeblich überbordenden Staat aus. Mit der knackigen Formulierung, "Der Nanny-Staat setzt auf akribische Kontrollen" versucht Bauermeister, die einzige Errungenschaft der SPD aus der selbstmörderischen Großen Koalition in Berlin madig zu machen.
Herr Bauermeister hat dabei die erst jetzt lange nach der getroffenen Koalitionsvereinbarung anstehende tatsächliche Einführung des Mindestlohns in Deutschland im Auge [flächendeckend wie ein Schweizer Käse nach Maschinengewehr-Beschuß].
Im Detail geht es darum, wie der Staat dieses Gesetz wirksam kontrollieren kann. Es gibt nämlich mindestens eine simple, aber sehr effektive und im real existierenden Machtgefälle Arbeitgeber-Arbeitnehmer faktisch nicht an die Oberfläche kommende Umgehungsmöglichkeit: Unbezahlte Überstunden auf "freiwilliger" und natürlich heimlicher Basis.
Herr Bauermeister hält diese Möglichkeit offenbar für völlig ausgeschlossen, fußend auf einem christlich positiven Menschenbild, in der auch die Existenz der zehn Gebote seit dem Alten Testament völlig überflüssig erscheint. Denn: der Mensch möchte das Gute ganz von allein. Deshalb könne es auch gar nicht vorkommen, daß ein ArbeitGEBER überhaupt auf die Idee käme, niedrig bezahlte Angestellte zu "freiwilligen" Überstunden zu nötigen.
Eine Bekannte von mir arbeitet in einem Cafe als Kellnerin. Seit etwa 10 Jahren. Zu einem Lohn, der unter dem anvisierten Mindestlohn liegt. Nun steht die Umsetzung des Gesetzes an. Ihr Chef bewies sogleich seine kreative Intelligenz, indem er meiner Bekannten vorschlug, doch nach getaner Arbeit im Cafe noch ein bißchen in der Küche mitzuhelfen und auch zu putzen. Selbstverständlich nur zu Gottes Lohn, denn das Mindestlohngesetz stellt ihren Arbeitgeber natürlich sofort vor die Frage, kann ich meinen bisherigen [hohen] Lebensstandard halten oder nicht. Meine Bekannte verweigerte die von ihr verlangte "neue" Zusatztätigkeit ohne Entlohnung. Daraufhin wies ihr Chef sie darauf hin, daß es ja noch andere Menschen gäbe, die gerne ihren Job hätten, auch zu den aufgefrischten Bedingungen.
Ja, was soll meine Bekannte jetzt machen? Ich würde sie eigentlich jetzt gern sofort zur Polizei schicken und eine Anzeige wegen Nötigung aufgeben lassen. Aber das möchte sie natürlich nicht. Sie möchte es nicht endgültig mit ihrem bisherigen Chef verderben. Also passiert nichts.
Und so wird es millionenhaft sein in unserer Republik demnächst. Nicht bei der Allianz AG mit professioneller Zeitkartenerfassung. Aber bei all den "kleinen" Arbeitgebern mit einer einstelligen Zahl von Beschäftigten. Dort gibt es weder Betriebsrat noch Gewerkschaft. Es gibt einfach nur ein ungleiches Machtverhältnis, was weitgehend von der Gesellschaft auch noch gedeckt wird.
Und geleugnet wird. So wie in der Kolumne von Herrn Bauermeister, der den Befürwortern von einer effektiven Kontrolle des neuen Gesetzes pauschal unterstellt, sie würden ihrerseits alle Arbeitgeber als "sozial kalt" hinstellen und damit ungerecht urteilen.
Das ist natürlich sehr schlau von Herrn Bauermeister. Dem anderen etwas unterstellen, wo der sich dann erst mal rechtfertigen muß. Und dabei dann vergißt, wer der eigentliche Störer der Gerechtigkeit ist.
Die Wirtschaft mag keine Kontrolle. Sie setzt auf "freiwillige Selbstverpflichtung[en]".
Da Wirtschaftsbetriebe als alleiniges Unternehmensziel die sogenannte Gewinnmaximierung haben, ist unwahrscheinlich, daß Wirtschaftsbetriebe "freiwillig" in umfangreiche und teure Umweltschutzmaßnahmen investieren. Wieso sollten sie? Umweltschutz ist ein Kostenfaktor und bringt dem Kapitaleigner und dem Jahresendgewinn überhaupt nichts. Nullo. Eigentlich wären freiwilliger Umweltschutz doch so etwas wie betriebliche und strafrechtlich relevante Untreue oder nicht?
"Komischerweise" hält die Wirtschaft und konservative Politiker, inzwischen alle Politiker außer den Linken, von freiwilliger Selbstkontrolle der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger GAR NICHTS! So ein Schmarrn wäre das! Dann würde doch jeder Arbeitslose sofort den Staat betrügen und in der sozialen Hängematte abhängen!!!
Abeitslose und Schwache sind andere Menschen. Sie sind im Gegensatz zu den selbsternannten "Leistungsträgern" moralisch schwach. Sie brauchen die 10 Gebote. Und vor allem die Sanktionsmechanismen des Sozialgesetzbuches. Und permanente Kontrollen ihrer Zahnbürsten, ob da nicht die einer Freundin und damit potentiellen Hausgemeinschaftsmitgliedsdannstattdessenunterhaltsverplichteten identifizierbar ist. Betrügen tun doch bloß die Hartzies, niemals Banker oder Wirtschaftsführer. Deswegen muß man auch Leistungsempfänger am Existenzminimum akribischst kontrollieren [und drangsalieren], während Banken auch nach dem billionenstarken steuerzahlerfinanzierten "Rettungsprogramm" der Nanny Staat [eine sehr großzügige Nanny!] weiter wirtschaften dürfen wie bisher.
Götz Werner, der Gründer und Inhaber von dm, einer sehr erfolgreichen Drogeriemarktkette in Deutschland, und gleichzeitig Verfechter des sogenannten "bedingungslosen Grundeinkommens", er hat schon zwei Bücher dazu geschrieben, macht auf Publikumsveranstaltungen, bei denen es u.a. um die Einführung eines solchen SANKTIONSLOSEN Existenzminimums geht, also OHNE Peitschen-Nanny, die dem Arbeitslosen im Nacken sitzt und private Geschenke über 100 Euro einsammelt, auch zu Weihnachten, folgende immer wiederkehrende Erfahrung:
Fragt Götz Werner ins Publikum, "was würde Ihrer Meinung nach passieren, wenn wir das sanktionsfreie Grundeinkommen in Deutschland einführen würden?", schnellen sofort ein paar Finger in die Luft: "Dann würden alle Arbeiter und Angestellten sofort ihre Arbeit hinschmeißen und sich nach Hause auf dem Sofa gemütlich machen!". Fragt er dann dieselbe Person, ob er selbst das denn auch so machen würde, antworten die aus dem Stand: "Nein, niemals! Ich würde natürlich weiter zur Arbeit gehen!".
Aha. Also "man selbst" ist stets frei von solchen Faulheitsphantasien. Aber der Sitznachbar. Der ist die Faulheit in Person.
Es gibt nicht nur Miesmacher, die ständig die wunderschöne und wirtschaftlich erfolgreiche [360 Millionen Euro Schulden] Stadt Wilhelmshaven schlecht machen [Jahresverlust 2014 JadeWeserPfurz: 40 Millionen], nein es gibt auch jede Menge "Sozialpolitiker" und Arbeitgeber-Lobbyisten, für die jeder Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger per se ein potentieller Schmarotzer und Hintertreiber staatlicher Leistungen ist.
Ich würde zu gerne Herrn Bauermeister persönlich Aug' in Aug' fragen, ob er denn nicht auch die Hartz-Vier-Nanny genau so überflüssig findet, wie die Mindestlohn-Nanny, wie er es in seinem Artikel dargestellt hat. Leider verkehre ich nicht in diesen Wilhelmshavener Kreisen. Schade, so entgeht mir nicht nur ein opulentes Frühstück von Wilhelmshaven-Dauer-Positivmalern und Besserwissern einmal jährlich, sondern auch noch Herrn Bauermeisters verdutztes Gesicht auf meine Frage, "Nanny – ja oder nein, und für wen?"
Wilhelmshaven sucht die Super-Nanny. Beim Containerhafen gibt’s so viele Kinder von doppelverdienenden KranführerInnen zu betreuen. Der Staat zahlt jeden Preis.
Heidi Berg
KommentareHeinz-Peter Tjaden | via facebook Im Sommer 2011 habe ich als Oberbürgermeister-Kandidat einen Artikel über Lutz Bauermeister geschrieben, der mit "Stoppt Bauermeister" endete. Er lud mich sofort zu einem Treffen ein, das zwei Stunden dauerte. Er fragte mich, warum ich seine Thesen für falsch halte und er hörte aufmerksam zu. Natürlich verteidigte er seine Thesen, wenn ich ihn aber bei einem Gedankenfehler ertappte, lachte er über sich selbst. Lutz Bauermeister hat die Gesetze des Kapitalismus völlig verdrängt, er glaubt tatsächlich, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber stets als gleichberechtigte Partner begegnen und akzeptieren. Das Gemeinwohl pendelt sich demnach schon irgendwie ein. Man muss eben auch mal verzichten können, wobei er völlig ausblendet, dass die Armen nicht auf noch mehr verzichten können. Über Wilhelmshaven sagte er, dass er "mit dieser Stadt seinen Frieden geschlossen" habe, was er über Wagner sagte, hat sich (leider) bestätigt.
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