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Verkehrswende nicht verbauen 02|04|2016
Inzwischen weiss man überhaupt nicht mehr, ob Autobahnen nur noch gebaut werden, um die Bauwirtschaft nicht kollabieren zu lassen oder ob es sich um wirklichen Bedarf handelt.
Umweltverbände fordern Stopp der öffentlichen Beteiligung bis zur grundlegenden Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans
Die Umweltverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland [BUND], Naturschutzbund Deutschland [NABU], der ökologische Verkehrsclub Deutschland [VCD] und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring [DNR] kritisieren den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 und dessen Umweltberichts als grundlegend überarbeitungsbedürftig. Die Verbände fordern einen Stopp der derzeit laufenden öffentlichen Beteiligung, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans erlaube keine Bewertung der negativen wie positiven Auswirkungen des Gesamtplans und prüfe Alternativen zum Straßenbau nur unzureichend, so die Verbände.
Inden-Heinrich, DNR-Geschäftsführerin: "Der Plan ist nicht nur mit äußerst heißer Nadel gestrickt und methodisch unausgereift, er ist schlicht nicht fertig. Weil Unterlagen zu Schienenprojekten und Knotenprojekten fehlen und weil die Umweltziele nicht definiert sind, wird der gesetzliche Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung verfehlt. Es ist inakzeptabel, dass das Bundesverkehrsministerium die Umweltbetroffenheit bei der Dringlichkeitseinstufung und bei den Alternativen faktisch nicht berücksichtigt. Auch die Auswirkungen von Netzinvestitionen auf die Klimaziele sind nicht dargestellt. Häufig wird nur auf Entscheidungen der Straßenbauverwaltungen verwiesen und auf ökologische Untersuchungen und die Prüfung von Alternativen verzichtet. Diese gravierenden Mängel müssen beseitigt werden. Dem Stellungnahme-Verfahren muss eine Überarbeitung und Abstimmung mit den Ressorts vorausgehen."
Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: "Mit dem Prinzip Neubau vor Ausbau im Bundesverkehrswegeplan verbaut die Bundesregierung die Verkehrswende. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will alle Autobahngroßprojekte, die noch vor der Jahrtausendwende geplant wurden, vordringlich bauen – trotz hohen Umweltrisikos und teilweise geringen Verkehrsaufkommens. Umweltverträgliche, bedarfsgerechte und kostengünstige Ausbaualternativen wie sie der BUND vielerorts angemeldet hat, werden nirgends berücksichtigt. So wird der Neubau der A 14 nördlich von Magdeburg oder der A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg mit in Geld bewerteten, jedoch faktisch marginalen Zeitgewinnen von sogar weniger als einer Minute gerechtfertigt. Absurd ist auch, dass 500 Ortsumfahrungen, davon 100 in Bayern, für den Bau vorgeschlagen sind. Kostengünstigere Alternativen durch innerörtliche Maßnahmen wurden aber gar nicht erst geprüft und die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ab 2018 wird nicht berücksichtigt. Zum Glück ist dieses Mega-Straßenbauprogramm völlig unfinanzierbar, denn rechnet man die Kostensteigerung bis 2030 mit ein, fehlen 100 Milliarden Euro."
Olaf Tschimpke, NABU-Präsident: "Der Umweltbericht des Bundesverkehrswegeplans dokumentiert einzig die Beeinträchtigung von Natur und Umwelt und das Versagen beim Klimaschutz. Es gibt kein einziges Beispiel, in dem eine gutachterlich belegte hohe Umweltbelastung zu einer grundsätzlichen Änderung eines Projekts geführt hat. Oder anders gesagt: Die Landschaft, die durch eine Straße verloren ginge, kann noch so wertvoll sein – Dobrindt würde sie trotzdem planieren wollen. 170 Natura-2000-Gebiete würden durch den Straßenbau erheblich beeinträchtigt und 250 noch unzerschnittene Großräume und bundesweite Achsen zerstört. Auch die Auswirkungen auf den Flächenverbrauch widersprechen den Zielen der Bundesregierung. Würde der Entwurf umgesetzt, müssten täglich drei Hektar Flächen zusätzlich verbraucht werden. Damit würde das aktuelle Ziel, den täglichen Neuverbrauch an Flächen auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen, in unerreichbare Ferne rücken. Der Planentwurf des BVWP verhindert zudem das Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung. In ihrem Aktionsprogramm Klimaschutz hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks vom Verkehr eine CO2-Reduktion um sechs Millionen Tonnen gefordert. Von 2012 bis 2014 sind die CO2-Emissionen im Verkehr aber um sechs Millionen Tonnen gestiegen. Ohne eine Verkehrswende ist Klimaschutz in Deutschland nicht möglich. Gerade die geplanten Autobahn-Neubauten sind ökologisch höchst problematisch."
Michael Ziesak, VCD-Bundesvorsitzender: "Die Klimaschutzziele der Bundesregierung können nur durch eine Verdoppelung des Schienengüterverkehrs, die Umsetzung eines kompletten und durchfinanzierten Ausbaukonzepts im Rahmen der Engpassbeseitigung und die Umsetzung des Deutschland-Takts erreicht werden. Klimaschutz im Verkehrssektor geht nicht ohne konsequente Verlagerung auf die Schiene. Ein Rekord-Straßenbauprogramm hingegen sowie ein halbfertiges und unterfinanziertes Konzept für den Schienenverkehr stehen dem völlig entgegen. Die bisher vorgesehenen neuen Projekte im Schienenverkehr könnten zwar teilweise dazu beitragen, mehr Kapazitäten zwischen einzelnen Ballungsräumen zu schaffen. Für weitere hochbelastete Korridore und insbesondere für die Hafen-Hinterlandverkehre fehlen allerdings nach wie vor Projekte und Priorisierungen. Die überlasteten Knoten müssten als zentrale Engpässe im Schienennetz vorrangig erweitert werden und allein dafür müssten fünf bis sieben Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt werden. Doch angesichts der jetzigen Finanzierungsverteilung zwischen Straße und Schiene ist es unwahrscheinlich, dass solche notwendigen Projekte, die bis heute noch in der Erarbeitungsschleife des Bundesverkehrsministeriums liegen, in den kommenden Jahrzehnten realisiert werden. Schon die Fertigstellung laufender Projekte sowie die bisher priorisierten neuen vordringlichen Vorhaben sind bis 2030 nicht durchfinanziert."
Quelle: BUND
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