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Dr. Oetker will umstrittenen Zusatzstoff Titandioxid »E171« aus Produkten verbannen



Die Weiße Farbe zur Einfärbung von Lebensmitteln soll die Gesundheit gefährden und wurde in Frankreich schon verboten.

16|12|2019 | foodwatch: Traditions-Unternehmen täuscht Öffentlichkeit aber mit fragwürdigen Labortests

Harry Brot, Bonduelle, Agrarfrost, Rübezahl: Immer mehr Lebensmittelhersteller in Deutschland wollen ihre Produkte mit der Nutri-Score-Ampel kennzeichnen. Das bestätigten die Unternehmen gegenüber der Verbraucherorganisation foodwatch. Bisher hatten unter anderem Aldi, Nestlé, Danone, Lidl und Iglo erklärt, die Farbkennzeichnung einzuführen. Der Lebensmittelverband versuche dagegen mit allen Mitteln, die Einführung des Nutri-Scores zu verzögern und ihn zu verwässern, kritisierte foodwatch. Der Verband hatte kürzlich einen 10-Punkte-Plan veröffentlicht und darin auch Änderungen bei der Berechnung des Nutri-Scores gefordert.

Der Backzutatenhersteller Dr. Oetker will auf den potenziell krebserregenden Farbstoff Titandioxid, auch bekannt als E171, verzichten. Die Umstellung der Produkte soll bis "Ende des ersten Quartals 2020" erfolgen, erklärte das Unternehmen gegenüber der Verbraucherorganisation foodwatch. Im August hatte ein Labortest von foodwatch nachgewiesen, dass in mehreren Dr.-Oetker-Produkten Titandioxid in Nanopartikel-Form enthalten ist. foodwatch hatte daraufhin einen Verzicht des Zusatzstoffs gefordert.

Trotz des angekündigten Ausstiegs hält Dr. Oetker an der Erzählung fest, die derzeit von dem Unternehmen verkauften Produkte enthielten kein Titandioxid in Nanopartikel-Form - und seien damit gesundheitlich unbedenklich. Als Beleg führt Oetker einen eigenen Labortest an. Doch Recherchen von foodwatch zeigen: Die von Oetker gewählte Untersuchungsmethode ist nachweislich ungeeignet, um Nanopartikel im Endprodukt zu identifizieren. foodwatch bezeichnete das Vorgehen von Dr. Oetker deshalb als Täuschungsmanöver.
Dass Dr. Oetker künftig auf den umstrittenen Zusatzstoff Titandioxid verzichten möchte, ist gut. Dass der Konzern aber mit Verweis auf fragwürdige Laborergebnisse behauptet, in den Produkten gebe es keine Nanopartikel, ist hinterhältig. Nanopartikel kann man mit der Methode, die Oetker angewandt hat, gar nicht finden", erklärte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch. "Man misst ja auch nicht mit dem Kompass die Temperatur und sucht mit dem Fieberthermometer den richtigen Weg."
Titandioxid ist ein stark weiß färbendes Pigment, dessen Auswirkungen auf die Gesundheit umstritten sind - insbesondere in der allerkleinsten Form im Nanometerbereich. Aufgrund ihrer winzigen Größe können Nanopartikel körperliche Schutzbarrieren leichter durchdringen, etwa die Darmbarriere. Dr. Oetker teilte gegenüber foodwatch im Juli mit, dass der Farbstoff "gesundheitlich unbedenklich" sei: "Für alle Dr. Oetker Produkte, die den Farbstoff Titandioxid derzeit noch enthalten, können wir Ihnen versichern, dass die Größe des verwendeten Titandioxids oberhalb der Nanogrenze liegt." Es seien "keine Nanopartikel enthalten". An diesen Aussagen hielt das Unternehmen trotz des foodwatch-Labortests fest, obwohl der Test Nanopartikel in vier von vier getesteten Oetker-Produkten nachgewiesen hatte. Oetker kündigte daraufhin gegenüber dem Westfalen-Blatt eigene Laboruntersuchungen zu Nanopartikeln an.

Auf Nachfrage von foodwatch übersandte Dr. Oetker im Oktober Untersuchungsergebnisse des Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik [DIL], denen zufolge in "keinem der Produkte Titandioxid in der Größe von Nanopartikeln nachweisbar ist". Getestet wurden laut Oetker genau jene Produkte und Chargen, in welchen foodwatch zuvor die umstrittenen Nanopartikel nachgewiesen hatte. foodwatch hat die Oetker-Labortests durch mehrere unabhängige Experten der Nanopartikel-Analytik bewerten lassen. Das Ergebnis: Obwohl dem Unternehmen das genaue Test-Schema von foodwatch bekannt war, hat Dr. Oetker bei der Bestimmung der Partikelgrößenverteilung eine andere Methode angewandt - und zwar ausgerechnet eine, die ungeeignet ist, um Nanopartikel innerhalb von Partikelagglomeraten zu identifizieren. Anstatt die Messung der Partikelgrößen der einzelnen Partikel mit dem sogenannten Elektronenmikroskop durchzuführen, habe Dr. Oetker die in diesem Fall ungeeignete Methode der Laserbeugung gewählt, kritisierte foodwatch.

Als erstes europäisches Land hat Frankreich ein Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln mit E171 erlassen, gültig zunächst vom 01.01.2020 bis 31.12.2020. In dieser Zeit sollen die Risiken des Zusatzstoffs weiter erforscht werden. Anlass für das Moratorium waren neue Studien, die bereits bestehende wissenschaftliche Hinweise auf Risiken von E171 bestärkten. Laut der französischen Behörde für Lebensmittelsicherheit [ANSES] kann die Sicherheit des Zusatzstoffs aktuell nicht belegt werden. Die französische Regierung trägt mit ihrer Verbotsentscheidung dem im EU-Lebensmittelrecht verankerten europäischen Vorsorgeprinzip Rechnung. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde [EFSA] vertritt hingegen die Auffassung, dass die verfügbaren Daten "keine Hinweise" auf Gesundheitsbedenken für Verbraucherinnen und Verbraucher gäben. Allerdings räumen sowohl die EFSA als auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung [BfR] ein, dass weiterer Forschungsbedarf bestehe.
Aufgrund der Sicherheitsbedenken der ANSES hat ein Bündnis aus europäischen Gesundheits- und Verbraucherverbänden unter Beteiligung von foodwatch die Europäische Kommission aufgefordert, ein europaweites Verbot von E171 zu veranlassen. Der weitere Einsatz widerspreche dem europäischen Vorsorgeprinzip.
Neben Dr. Oetker verwenden auch weitere Backzutatenhersteller wie Ruf und Günthart oder auch Dunkin Donuts Titandioxid in ihren Produkten. Außer in Backzutaten kommt der Weißmacher vor allem in Kaugummis und Dragee-Umhüllungen zum Einsatz. Auf Nachfrage von foodwatch kündigten die Hersteller Reinhardt Lolly Spezialitäten und McDonald´s an, in ihren Süßwaren künftig auf Titandioxid zu verzichten. Auch Mars will den Farbstoff nicht mehr verwenden, etwa in den M&M´s-Schokolinsen und "Wrigleys"-Kaugummis.

Quelle: foodwatch


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