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Joachim Tjaden †
06|06|2012



Joachim Tjaden während eines Interviews am 4. August 2010.

Er war das "enfant terrible", einer, dauernd in Bewegung, so lange bis er einer Sache auf den Grund gegangen war.

Er war der wandelnde Dateinspeicher des Wilhelmshavener Rates, der so tief in der Materie steckte, dass trotz offensivstem Hafengegner-Mobbing hintenrum sein Wissen von vielen abgefragt wurde, was einige bis heute in der Öffentlichkeit scheuen würden, zuzugeben.

Joachim Tjaden, kurz Acki, lebte in einer Stadt, die wirtschaftliche Ziele zuoberst auf der Agenda führt, deren Planungen und teilweise Realisierungen durch die Bürger bezahlt werden, die sauer verdiente Steuern an die Kommune entrichten, in dem Glauben, damit würde ihnen und der Stadt geholfen werden, Straßen geflickt, soziale Einrichtungen unterstützt oder der Gesamtzustand einer Stadt für die Zukunft gerüstet.

Nur ganz wenig davon stimmt, und das wusste Acki, der in die Politik ging, um Transparenz zu schaffen und selbst anzupacken, quasi immer dicht am Menschen, als echter, im wahrsten Sinne des Wortes "anfassbarer" Volksvertreter.

Zu fassen war er hingegen selten, denn hatte er einen Punkt auf seiner "to do Liste" abgehakt, widmete er sich, ohne viel zu diskutieren, schon dem nächsten Problem.

Sein Steckenpferd war der Kampf gegen einen Containerhafenbau, dessen Erschaffung von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Dazu sammelte er Fakten, schuf eine Bürgerinitiative und engagierte sich gegen den für Wilhelmshaven typischen Grössenwahn, in der Politiker nach wie vor das Sagen haben, die selten eines der Gutachten lesen, über das sie als Volksvertreter letztendlich eine Entscheidung treffen müssen, was er so ausdrückte:
Zitat: " ... Anders, als die meisten anderen Ratsvertreter stehe ich aber auf dem Standpunkt, dass ich meine Entscheidungen nur treffen kann, wenn ich mich zuvor mit der Sachlage intensiv beschäftigt habe. Wie Ratsvertreter, und davon gibt es viele, ihre Hand zur Abstimmung heben können, ohne sich auch nur im Geringsten mit dem Thema beschäftigt zu haben, wird für mich immer ein Rätsel bleiben. ... "
[Anm. d. Red.: ... uns auch!]
[Quelle: BASU | Wilhelmshaven]

Diese Einstellung galt genauso so für den Bau neuer Kohlekraftwerke, die Aufwertung kommunaler Sportplätze mit einem Kunstrasen, Tieren in Not oder einer Flora, verdrängt durch potente Interessen von so manchen Industrieansiedlungen, die sich als "Blase" entpuppten.

Er liebte den Geniusstrand, den man den Menschen so selbstverständlich nahm wie den Campingplatz am gleichnamigen letzten Sandstrand, natürlich im Tausch für angeblich "rentierliche Großprojekte", also Dinge, die Geld zum Wohle der Wilhelmshavener produzieren sollten.

In Wirklichkeit sind es seit Jahrzehnten nur einige wenige, die die Stadt und ihre Pfründe versuchen unter sich aufzuteilen - auch das wusste Acki und inzwischen eine ganze Menge mehr Bürger, die sich aber, trotz des Versuchs einer Daueraufklärung noch immer nicht zur Wehr setzen und einige [hoffentlich wenige], die nach wie vor lieber am Südstrand temporär in Fäkalien baden, weil sie noch nie krank geworden sind.

Kaum war er gestorben, hatten einige politische Vertreter nichts anders im Sinn, als seine noch verbliebenen Parteimitglieder der BASU abzuwerben und das mit wirklich überzeugenden Argumenten wie "Jetzt wäre doch der beste Zeitpunkt zur SPD zu wechseln" oder "Der Kopf ist weg, die BASU ist doch tot" oder "das ist doch alles ´ne Nummer zu groß für Euch".

Man fragt sich zwangsläufig, ob man Perfidität noch steigern kann, und kann jetzt antworten, dass sie dazu einfach nach Wilhelmshaven kommen müssen.

Die Aufführung von "Die Macht vergisst den sterbenden König" kann man in Wilhelmshaven also live erleben, gespielt von Menschen die selten wissen, worüber sie reden, eine unangenehme und teils respeklose Gemengelage, die auch durchaus einen selbst treffen könnte, ein Bewußtsein, das nicht zu existieren scheint, wenn es um Macht geht.

Er, der mit einem Paukenschlag ging, konnte sich auch nicht mehr zur Wehr setzen, als der amtierende Oberbürgermeister Andreas Wagner während seiner Traueransprache unter die Gäste streute, das sich Acki seiner Meinung nach mit dem Hafenbau arrangiert hatte, nicht ohne zu vergessen, das Milliardengrab am Tiefen Fahrwasser Jahrhundertprojekt zu nennen.

Würde das stimmen, haben wir wohl einen anderen Joachim Tjaden kennengelernt. Unser Acki war bis zuletzt vehementer Hafengegner, was er während seiner letzten Ratssitzung im Beisein von Andreas Wagner betonte. Es war wohl eher der letzte ungeschickte Versuch ihn in die Gemeinde einer Mehrheitsgruppe von "Ja-Sagern" zu manövrieren, deren Gutdünken eine ganze Stadt in den Ruin treibt.

Acki hinterlässt ein schweres Erbe, und sein Arbeitspensum abarbeiten zu wollen gleicht dem "Mythos von Sisyphos", "ständige Revolte und Annehmen der Absurdität als Lösung", wie es Camus ausdrückte, den Stein den Berg hinaufschieben, im Bewußtsein, das er wieder herunterrollt, und dabei Glück empfinden:
Zitat: " ... Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache. ... "
[Quelle: Wikipedia | Der Mythos des Sisyphos]

Die Welt wird sich weiterdrehen, sicherlich, auch ohne Acki, zu dessen Hinterlassenschaften auch dieses Bürgerportal gehört, aber sein Geist wird bleiben, sich fortpflanzen ... und irgendwie spüre ich ihn, diesen leisen sanften Rückenwind der mir nach wie vor sagt: Wolf, mach!



Wolf-Dietrich Hufenbach
Dokumentarfilmer | Wilhelmshaven

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