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Breschnew in Berlin 25|06|2013
Damals wie heute bei Staatsbesuchen: Kein Durchkommen am Brandenburger Tor.
Ein historischer Vergleich
Es war ein warmer Maitag des Jahres 1973. Der Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, besuchte Ost-Berlin. Kinder mit Fähnchen wurden abkommandiert, um den Chef des sozialistischen Weltsystems zu begrüßen. Die Staatsoberhäupter der verbündeten Staaten küssten sich innig. Breschnew hielt eine Rede vor ausgesuchten Gästen. Von Friedenspolitik und Abrüstung war darin zu hören. Konkretes sagte er eigentlich nicht. Die DDR-Medien überschlugen sich vor Freude und Ergebenheit. Die Stadt war voller Polizei und ziviler Sicherheitsleute.
Es war ein heißer Junitag des Jahres 2013. Der Chef des kapitalistischen Weltsystems, Barack Obama, besuchte Berlin. Kinder mit Fähnchen hatten frei bekommen, um den Präsidenten der USA zu begrüssen. Obama küsste Merkel. Merkel küsste Obama. Der US-Präsident hielt eine Rede vor ausgesuchten Gästen. Von Friedenspolitik und Abrüstung war darin die Rede. Konkretes sagte er eigentlich nicht. Die BRD-Medien überschlugen sich vor Freude und Ergebenheit. Die Stadt war voller Polizei und ziviler Sicherheitsleute.
Es gibt eine lebende Verbindungsperson zwischen den beiden Besuchen: Joachim Gauck. Damals, beim Breschnew-Besuch war er Pastor in der DDR. Später oberster Stasi-Jäger. Heute ist er Bundespräsident. Klein und verdruckst steht er vor den Kameras und neben dem US-Präsidenten. Rührung überwältig ihn als er die US-Nationalhymne hört. Obama umarmt ihn. Jetzt wäre der Moment für eine originelle Frage gewesen: Ob dem US-Präsidenten die weltweite Internet-Schnüffelei der USA nicht unangenehm wäre. Und Zeit für einen Kommentar: Er, Gauck, hätte die Begründung der DDR-Regierung, die Staatssicherheit sei nur zum Schutz des Landes da, immer verlogen gefunden und warum denn Obama nichts besseres zur Verteidigung seines Horch-und Guck-Programmes eingefallen sei. Verpasste Gelegenheit. Ab zu den Kindern mit den Fähnchen.
Am Rande der Breschnew-Jubelfahrt in Ost-Berlin stand an der Frankfurter Allee damals eine Gruppe junger Leute. Sie skandierten: "Leonid bring Wodka mit! Ein Fässchen oder mehr, wir trinken alles leer!" Zwar wurden sie von den Staatsorganen misstrauisch beäugt, aber sie blieben, obwohl die Anspielung auf den legendären Alkoholkonsum des Generalsekretärs überdeutlich war, unbehelligt. Am Rand von Obamas Fahrt zur Siegessäule versuchten zwei barbusige Frauen der Gruppe "Femen" sich auf die Straße zu stürzen. Zehn tapfere Polizisten rissen sie zu Boden. Hatten sie Sorgen wegen des Clinton-Effektes? Man weiß ja, Mädels und US-Präsidenten können zu schweren Verwerfungen der Staatsorgane führen.
War zeitgleich zum Obama-Besuch ein Kardiologen-Kongress in Berlin? Liest man deutsche Schlagzeilen in der Auswertung der Visite, ist das zu vermuten. Immer ist vom Herzen die Rede. Mal ist Obama im Herzen von Berlin. Dann wieder ist er der Präsident der Herzen. Knapp und klar die Diagnose der SÜDDEUTSCHEN in einer ganzseitigen Auswertung des Besuchs lautet die Überschrift: "Von Herzen". Und dann das Jackett: ER hat es ausgezogen. Kein Medium ohne diesen geschichtsträchtigen Augenblick. Plötzlich standen alle Männer im handverlesenen Jubel-Geviert am Brandenburger Tor im Hemd da. Ob die DDR-Obrigkeit auch ihre Jacketts ausgezogen hätte wenn Breschnew plötzlich ohne Jackett gewesen wäre? Frau Merkel, mit den Etikett der DDR-Opposition versehen, zeigte als einzige hartnäckigen Widerstand: Das Kostümjäckchen blieb an. Gelernt ist gelernt.
Was hätte wohl im Zentralorgan der SED, dem "Neuen Deutschland", gestanden, wenn Frau Breschnew die Neue Wache unter den Linden, damals noch das Mahnmal für die Opfer des Faschismus, besucht hätte? So was wie heute das Zentralorgan deutscher Blödheit, die BILD-Zeitung, zu Michelle Obama, beim Besuch des Holocaust-Mahnmals: "Schwarze Hose, armfreie Bluse, Perlenkette und Sonnenbrille" vielleicht? Kaum. Die Sowjets machten einfach keine ordentliche PR. Deshalb haben sie auch verloren.
"Das muss Liebe sein", schreibt die ZEIT am Post-Obama-Tag über das Verhältnis der Deutschen zum US-Präsidenten. Und ihr Chefredakteur, Reichsfeldmarschall Josef Joffe, fordert in der selben Ausgabe von den USA, sie mögen doch nun mal endlich in Syrien militärisch eingreifen. Das hätte sich die WOCHENPOST, das DDR-Pendant zur ZEIT, nie getraut. Eine Forderung nach militärischer Solidarität mit der laizistischen Regierung in Afghanistan zum Beispiel wäre undenkbar gewesen. So gesehen ist die ZEIT eindeutig eine Zeitung großer journalistischer Freiheiten und die WOCHENPOST war ein Blatt der Unterdrückung der Meinungsfreiheit.
Deshalb weiß die FAZ auch genau, dass die Rede Obamas vom "Streben nach Freiheit" durchzogen war. Und lässt sich von der Frage wie frei denn die Daten sind, die von der NSA eingefangen werden, nicht beirren: Es wurden ja dank der "abgeschöpften Daten Anschläge in Deutschland verhindert. Punkt!" Wann Ende der Debatte ist, bestimmt immer noch das Zentralorgan der Bourgeoisie. Ist das klar? Der West-Berliner TAGESSPIEGEL weiß von einem heißem Pflaster und warmen Herzen in Berlin zu berichten. Aber er meint es nicht so. Die Zeitung des unfreiwilligen Kalauers weiß einfach nicht, dass ein "heißes Pflaster" eine zweite Bedeutung hat. Da bleibt uns dann zuletzt nur der Kommentator der SÜDDEUTSCHEN zum Obama-Besuch: "Die Mauer ist weg. Aber die Welt ist immer noch gefährlich." Damit waren natürlich nicht die Drohnen gemeint. Die dienen doch nur der Sicherheit unserer Bevölkerung. Das hatte Breschnew in Bezug auf die Mauer ganz sicher genauso gesehen.
Uli Gellermann
Quelle: Rationalgalerie
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