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Raute gegen Stinkefinger 14|09|2013
Wer ist der Bilderberger Peer wirklich - ein guter Rhetoriker?
Das Elend der Bundestags-Wahlen
Peer Steinbrück wird die Wahl gewinnen. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer SPIEGEL-Online-Umfrage. Gefragt war nach der Steinbrück´schen Stinkefingergeste auf dem Titelbild des Magazins der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Mehr als 46 Prozent fanden den Fingerzeig gut, nur 35 Prozent mochten sich empören. Im ehemaligen Kernland der SPD sieht es noch besser aus: Die Umfrage der WESTDEUTSCHEN ALLGEMEINEN ermittelte satte 50 Prozent für den Mittelfinger, nur 25 Prozent konnten mit dem fingierten Protest nichts anfangen. "Ein Foto bringt Dampf in den Wahlkampf", schreibt ZDF.de und hat natürlich Recht: Wie sollen sich der ehemalige Finanzminister von Angela Merkel und seine frühere Chefin - immer einig in der Bankenrettung, bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und der Verachtung der Hartz-Vierer - denn voneinander absetzen, wenn nicht durch die Raute, Frau Merkels Hände-Redewendung [weiblich], und den Steinbrück-Finger [männlich]?
Fraglos hat der Wahlkampf jetzt jene Ebene erreicht, die der intellektuellen Potenz der Kandidaten entspricht. Das haben auch die deutschen Medien begriffen. Sie, die bis jüngst primär an der Syrienfront kämpften und nur mühsam irgendwelche Unterschiede zwischen dem schwarz-gelben und dem rot-grünen Block herausarbeiten konnten, haben endlich ihr Thema. Barmt doch in der ZEIT, dem Zentralorgan des deutschen Oberstudienrates, eine Juliane Leopold: "Steinbrück beleidigt die Wähler". Und die Meister von Schwulst und falscher Metapher im Westberliner TAGESSPIEGEL entdecken gar einen "Finger, der zum Fragezeichen wird". Der STERN, die bebilderte Mittelmäßigkeit des deutschen Journalismus, nimmt den Finger zum Anlass sich jugendlich zu geben: "Hey, das ist mal eine Ansage, Peer Steinbrück zeigt uns den Stinkefinger. So richtig fett." Nur die WELT, Springers Blatt für Halbgebildete, hat die wahre, die sexuelle Bedeutung der Geste entlarvt: "Zwei Wochen vor der Wahl legt SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück alle Hemmungen ab." Was wird er tun, der Finger? Sich auf die Raute stürzen? Wirft sich Friede Springer schützend vor ihre Freundin Angela? Wird Steinbrück hemmungslos nach den Hemmungen auch die Hose ablegen? Eiskalt kontert die BILD-Umfrage. Dort finden weit über 50 Prozent der Befragten den Finger "nicht klug". Aber mit welchem Organ wollen BILD-Leser feststellen ob etwas klug ist? Fragen über Fragen.
Zwei aus der Politiker-Riege haben schon Antworten. FDP-Rösler, der gediente Sanitätsoffizier am Krankenbett der Apotheker, sagt zur Fingerfrage klar und deutlich: "So etwas geht nicht!". Im zweiten Satz wird er dann undeutlich: "Die Geste verbietet sich als Kanzlerkandidat". Wie nun, eine Geste verbietet sich selbst? Oder darf der Finger nur nicht ohne den daran hängenden Mann kandieren? Da klärt Bernd Riexinger, der Bankkaufmann von der Linkspartei auf: "Franz Müntefering hat die Wähler erst nach der Wahl beschimpft, Steinbrück macht es schon vorher". Welch eine Entdeckung. Nicht festgemacht an der substanziellen Wählerbeleidigung durch Hartz Vier, nicht am Wahlbetrug durch die Rente mit 67 oder an der permanenten Wählertäuschung Steinbrücks durch die Vorspiegelung einer falscher Opposition. Sondern am ausgestreckten Finger. Und doch hat der Mittelfinger etwas bewegt: Kaum ausgestreckt, geben sich die LINKE und die FDP die Hand. Die erneute Spaltung Deutschlands scheint vermieden: Der Finger kennt keine Ost- und Westdeutshen mehr, geschweige denn Arm und Reich.
Wie immer findet sich die Wahrheit nicht in den großen Gesten, sondern im Kleingedruckten: In der selben SÜDDEUTSCHEN mit der Geste statt auch nur eines politischen Argumentes, findet man eine kleine Meldung: "Kanzler-Kandidat Peer Steinbrück steht nach SPD-Angaben als Verhandlungsführer für den Fall bereit, dass es nach der Bundestagswahl eine neue große Koalition geben sollte." Alles klärt sich auf. Der ausgestreckte Finger hieß keinesfalls "fick Dich", nein, er bedeutet "verlobe Dich mit mir. Hier, guck mal Angela, da kommt der Ring hin".
Uli Gellermann
Quelle: Rationalgalerie
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