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Unheimlich. Still. und leise. 04|07|2013
Nach der kriegerischen Auseinandersetzung erfolgt der Rohstoffdialog, pünktlich zum anstehenden Truppenabzug - soll sich ja auch gelohnt haben, die Verteidigung der Demokratie am Hindukusch.
Den afghanischen Bären schnell ausweiden
Immerhin: Es sind der afghanische Finanzminister, Dr. Omar Zakhilwal, und der afghanische Erdöl- und Minenminister, Wahidulla Sharhani, die am 5. Juli in Berlin empfangen werden. Und sie werden von einer hochrangigen Expertengruppe begleitet. Da sollte man doch einen großen Bahnhof erwarten. Es muss ja nicht das Wachbataillon sein, aber eine Presseerklärung vorab wäre normal. Die Anwesenheit der Medien während des ersten "Deutsch-Afghanischen Rohstoffdialog" wäre möglich. Zumindest aber eine Pressekonferenz am Ende des Dialogs sollte völlig üblich sein. Aber der Einlader zur deutsch-afghanischen Konferenz, das Haus Niebel, das Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit [BMZ], sonst eher für große Reden und Klamauk bekannt, ist seltsam still. Bis auf eine nebulöse Niebel-Ankündigung über eine "Rohstoffpartnerschaft" vor ein paar Tagen: Kein öffentlicher Ton. Man will die sonderbare Konferenz heimlich, still und leise abwickeln.
Ja, sagt der freundliche Pressesprecher der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, einer der Mitveranstalter des "Dialogs" erstmal, ja, bei uns ist die Veranstaltung nicht bekannt. Die höfliche Sprecherin des Ministeriums erklärt gegenüber der RATIONALGALERIE das Treffen dann zu einer Fachveranstaltung, die seien nun mal nicht presseöffentlich und über die deutschen Teilnehmer wolle sie nun wirklich nichts sagen, - außer, dass Gudrun Kopp, Staatssekretärin des BMZ die Tagung leiten würde. Also weitergefragt beim "Nah- und Mittelost-Verein" [NuMOV], der die Organisation der Zweitage-Konferenz verantwortet: Der Pressesprecher käme leider erst nächste Woche, erklärte eine kühle Mail. Sie wolle die Anfrage nach den Teilnehmern aber weiterleiten, schreibt Helene Range, Geschäftsführerin des Vereins. Ob der Sprecher wohl noch vor der Konferenz kommt? - Der NuMov ist ein Verein mit Tradition: 1934 von den Nazis gegründet, garniert mit jeder Menge Wehr-Wirtschaftsführern, vertritt seit dieser Zeit "die Handels- und Investitionsinteressen der deutschen Wirtschaft" im Nahen und Mittleren Osten. Heute heißt der Ehrenvorsitzende Gasprom-Schröder, der Vorsitzende kommt vom Baukonzern Hochtief, und im Vorstand findet man von der Rheinmetall AG [Waffenindustrie], über Frau Maria-Elisabeth Schaeffler [Kugellager und Finanzspekulationen], bis zu Jürgen Fitschen [Deutsche Bank und Steueroasen] das komplette Who-is-Who der deutschen Kapitalelite.
Man will, so teilt die Einladung zum "Rohstoffdialog" mit, über "seltene Erden" in Afghanistan reden und über Tantalum, Lithium oder Wolfram und andere Rohstoffe. Denn die hat der "Geologische Dienst" der USA, offenkundig eine Begleitformation der amerikanischen Truppen in Afghanistan, ausgemacht. Und Deutschland will "dieses Potenzial ... nutzen". Weil das afghanische Ministerium für Bergbau und Petroleum in 2014 eine beschränkte Ausschreibung zur Schürfung und Förderung der seltenen Erden durchführen wird, will man sich jetzt schon mal in Berlin treffen, um die Claims abzustecken. So nebenbei steht auch die "Generalplanung Afghanistans im Bereich Eisenbahnbau" auf der Tagesordnung. Das wird die Deutsche Bahn, auch bei NuMOV vertreten, ebenso wie die Herrenknecht AG-Tunnelmaschinen [Stellvertretender Vorsitz] heftig interessieren, denn irgendjemand muss die ja die Strecken planen und die Tunnel bauen. An jenem Tag, an dem der Afghanistankrieg von den USA und ihren tapferen deutschen Mitkämpfern gewonnen sein wird.
Dem ehemaligen Fallschirmjäger Niebel muss offenkundig mal jemand klar machen, dass der afghanische Bär bisher nicht erlegt ist. Und dass die Verteilung seines Fells weder jetzt schon ansteht, noch dass die Partner, mit denen er heute redet, morgen noch zur Verfügung stehen werden. Die Zeichen an der Wand mehren sich: Die Taliban sind stark genug, um vor ein paar Tagen den Präsidentenpalast mitten in Kabul anzugreifen. Mehr als 100 afghanische Diplomaten wollen aus ihren Auslands-Jobs nicht mehr in ein Land zurückkehren, das sie aufgegeben haben. Und der Alkoholmissbrauch bei den Bundeswehr-Truppen in Afghanistan steigt an: Die Endzeitstimmung, die Sinnlosigkeit eines fast zwölf Jahre währenden Krieges ist für manchen nur noch im Suff zu ertragen.
Längst verhandeln die USA mit dem ursprünglichen Todfeind, den Taliban. Selbstverständlich auch ohne Hamid Karzai, dem von ihr selbst eingesetzten Statthalter in Kabul. Denn der kann den US-Truppen keinen friedlichen, unblutigen Abzug garantieren. Die Taliban könnten das. Das hat sogar der Bundesverteidigungsminister begriffen. De Maizière sprach sich nachdrücklich für Friedensgespräche mit den Taliban aus.
Taliban? Das waren doch über gut ein Jahrzehnt die Bösen, die Radikal-Islamisten, die immer die Kollateralschäden verursachten, wenn ausländische Truppen auf der Jagd nach Taliban diesen oder jenen aus der Zivilbevölkerung gleich mitliquidierten. - Schon einmal gab es eine Konferenz in Berlin zum Afghanistan-Thema. Es war im Sommer 2001, als sich Vertreter der Taliban und des US-Außenministeriums im Hotel Palace trafen, um über einen Frieden zwischen den Bürgerkriegsparteien zu verhandeln. Nur wenige Monate später begann der Einmarsch ausländischer Truppen. Es ging, damals wie heute, um die militärische Vorherrschaft im afghanischen Raum. Und, wie in der Einladung des BMZ zum Rohstoff-Dialog steht, um "strategisch wichtige Rohstoffe". Bei so viel möglichen Profiten setzt schon mal der Verstand aus. Und das Gewissen ohnehin.
Uli Gellermann
Quelle: Rationalgalerie
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