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Ratssitzung: Kein Land in Sicht 14|03|2013
Wilhelmshaven gleicht einer Baustelle, die nicht fertig wird.
Der Kampf um jede "Baustelle"
Zunächst einmal gab es Verwirrung und Kritik rund um die Tagesordnung. Wieder einmal sollte der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes [RPA] in den nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung verlegt werden, womit Michael von Teichman [FDP] nicht einverstanden war. Wenn es um Geld geht, so seine Aussage, wird der Bürger von der Wirklichkeit ausgeschlossen. Die Gemeindeordnung würde es aber vorschreiben, dass monetäre Belange in der Öffentlichkeit behandelt werden.
Weil es aber um Ausschreibungen ginge, so die RPA-Leiterin Frau Hansemann, könne man nicht die ganzen Tagesordnungspunkte öffentlich behandeln. Da man aber die eigentliche Tagesordnung nicht einfach ändern kann, beschloss der Oberbürgermeister Andreas Wagner den öffentlichen Teil des RPA in den Bericht des Oberbürgermeisters zu integrieren.
Die eher langweilige Ratssitzung, im Gegensatz zu den Vorhergegangenen, ging dann weiter mit der Verabschiedung des Jahresabschluss der Kernverwaltung aus dem Jahre 2009, mitsamt dem Prüfbericht des RPA. Hier handelt es sich um Altlasten des ehemaligen Verwaltungsoberhauptes Eberhard Menzel [SPD], dem schon wie bei noch weiter zurückliegenden "Nachabschlüssen" keine Entlastung erteilt wurde, da er sich in Sachen Reinhard-Neter-Krankenhaus in einem schwebendem Verfahren befindet. Erst nach dieser juristischen Auseinandersetzung werde man darüber Entscheiden, so der Vorschlag der Verwaltung, ob Entlastung erteilt werden kann, oder nicht.
Im Bericht des RPA wird deutlich, wieviele Unbekannte sich in Haushaltsabschlüssen befinden, d. h. man kann sich vorstellen, wie schnell Zahlenspiele der Verwaltung sich ins Gegenteil verkehren können. So heisst es im RPA Bericht: Zitat: " ... Während zum 31.12.2007 noch ein Jahresüberschuss erwirtschaftet wurde, werden für die Folgejahre aufgrund weggebrochener Gewerbesteuereinnahmen und durch die Ende 2008 eingetretene Finanz- und Wirtschaftskrise Fehlbeträge prognostiziert, die bis zum 31.12.2011 voraussichtlich bis auf 76 MioEUR anwachsen. Das Gesamtdefizit der mittelfristigen Finanzplanung wird bis Ende 2017 voraussichtlich bis auf 112 MioEUR anwachsen.
Im Jahr 2015 wird das Dispositionskapital der Nettoposition abgeschmolzen sein und unter Einbeziehung des Basis-Reinvermögens die bilanzielle Überschuldung voraussichtlich im Jahr 2023 eintreten.
Zur Sicherstellung der Periodengerechtigkeit wurden Risiken im Zusammenhang mit dem Reinhard-Nieter-Krankenhaus (Eigenbetrieb sowie gGmbH), die bis in das Geschäftsjahr 2009 reichen, als Rückstellung in der Bilanz ausgewiesen. ... " [Quelle: Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der Stadt Wilhelmshaven zum 31. Dezember 2009 | Seite 5 von 21]
Von diesen Problemen war auch in dieser Ratssitzung wieder einmal keine Rede und man wähnt sich, wie so oft auf dem Weg der Besserung, was die sogenannten Kassenkredite des Kernhaushaltes betrifft.
Die Sparmassnahmen werden natürlich auch dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit Wilhelmshavens sukzessive abnimmt, denn ohne Geld für Investitionen sinkt die Leistungsfähigkeit der Stadt aus eigener Kraft eine Entschuldung für die wirklichen Schulden von etwa 270 Millionen Euro herbeiführen zu können.
Laut statistischen Angaben wird die Jadestadt zwar schrumpfen, aber allein die Kosten der Infrastruktur dürften für den "Überlebenden" dieser sogenannten demografischen Vorhersage teuer zu stehen kommen. Statt z. B. in bestehende Straßen zu investieren lautet ein Vorschlag, Geld zu erwirtschaften, immer mehr Neubaugebiete auszuschreiben, mit inbegriffen der Neubau von Straßen.
Auf die Gefahr in dieser Konzeption wies auch Michael Fee [SPD] hin, dem das ein Dorn im Auge zu sein scheint. Die Konsequenz könnte sein, dass man dann irgendwo die Abrissbirne einsetzen muss, weil man sich wieder einmal wenig grundlegende aber wichtige stadtplanerische Gedanken gemacht hat. Sein Vorschlag geht in die Richtung, das junge Menschen dahin gebracht werden könnten, alter Bausubstanz, z. B. durch Sanierung, wieder Leben einzuhauchen.
Ein weiteres Problem ist die eigentliche Ausschreibung von Baugebieten, wenn diese an Sportstätten oder das Industriegebiet Antonslust grenzen. So verwies man diesen Tagesordnungspunkt wieder zurück in den Fachausschuss, womit der Kultur- und Umweltdezernent Dr. Jens Graul nicht ganz einverstanden war, weil durch die "Streichung" gewisser Gebiete dann auch wieder Geld in der Stadtkasse fehlen würde, das man ja bekanntlich dringend benötigt, um z. B. die "Geisterbuslinie mit 28.000 Euro jährlich zu einem "Geisterhafen" zu finanzieren.
Anscheinend längst vergessen, die Buslinie ohne nennenswerte Passagierzahlen zum schwächelnden Containerhafen am "Tiefen Fahrwasser".
Mit der "Geisterbuslinie möchten wir nochmals auch auf die vielen Unbekannten in laufenden Haushaltsabschlüssen hinweisen, d. h. Dinge, die die Stadt Wilhelmshaven bezahlt und insgesamt betrachtet Summen, die sozusagen vor sich hinschlummern und eine Weiterverschuldung vorantreiben.
Wilhelmshaven befindet sich in einem hausgemachten Teufelskreis, in dem immer noch nach Lösungen ohne grundlegende Wirtschaftsverständnis gesucht wird, d. h. mit einem Gros an Volksvertretern, denen schon das Basiswissen fehlt, komplexe Zusammenhänge überhaupt richtig deuten zu können.
Michael von den Berg [Bündnis 90 | Die Grünen] schlug in einer der vergangenen Ratssitzungen einmal vor, dieses Defizit durch Schulungen beseitigen zu wollen. Bis heute wird dieser Vorschlag nicht aufgenommen und es ist so betrachtet auch zukünftig nicht zu erwarten, dass mehr als eine Hand voll im Rat der Stadt wirklich fundierte Entscheidungen werden treffen können - vielleicht will man das auch gar nicht.
So werden Entscheidungsprozesse auch weiterhin weitestgehend nach Gutdünken getroffen werden, begleitet vom Fraktionszwang, den es eigentlich gar nicht geben darf, also weiterhin auch ohne wirkliche Gewissensentscheidung.
Die zwei Freistrahlanlagen wurden schon vor Beendigung der Arbeiten am Gutachten aus dem Banter See entfernt - für viele zu voreilig.
Der Vorletzte Tagesordnungspunkt war dann die Aufarbeitung der Wasserqualität, die sich die Stadt etwa 300.000 Euro hat kosten lassen. Hier ging es um die sogenannten "Freistrahlanlagen", die man einsetzte, um das Wasser des Sees zu vermischen. Dieser minimal invasive Eingriff soll laut Gutachten keine nennenswerten Auswirkungen auf die eingetretene Verbesserung der Wasserqualität haben - das Gegenteil konnte durch das Gutachten jedoch auch nicht bewiesen werden. So wurde teilweise hitzig diskutiert, ob man die Freistrahlanalgen nicht doch wieder zu Wasser bringen sollte, bevor man feststellt, das sich die Wasserqualität wieder verschlechtert und die giftigen und letztendlich stinkenden Blaualgen wieder in der Tagespresse zum Thema werden oder Badeverbote ausgesprochen werden müssen.
Zuletzt verlangte Horst Radmer in der sogenannten Einwohnerfragestunde noch nach Auskunft über die sogenannten Freiwilligen Leistungen aus Aufsichtsräten, die hoch umstritten sind und wie in der Wirtschaftsförderung an Mitglieder auch anteilig pauschal ausgeschüttet werden [allein 1.200 Euro jährlich pro Mitglied pauschal]. Im Jahre 2012, so der erste Stadtrat Dr. Jens Stoffers, wurden 118.000 Euro allein in den Aufsichtsräten gezahlt. Es sind aber nicht nur Ratsmitglieder, die davon profitieren, sondern auch Mitgesellschafter. So versickert Steuergeld Jahr für Jahr, das soziale Einrichtungen oder Bildungsträger bestens gebrauchen könnten. Nur ganz vereinzelt werden diese Beiträge gespendet, die im kommunalen Heimatblatt als "Peanuts" dargestellt wurden. Diese Geld fliesst somit auch weiterhin nicht verfassungskonform in Parteikassen, als sogenannte anteilige Pflichtabgabe von Ratsmandatsträgern, also Volksvertretern.
Bis heute tut sich Wilhelmshaven damit schwer, diese freiwilligen Leistungen personenbezogen offenzulegen.
Somit endete wieder einmal eine Ratssitung, mit vielen zukünftigen Unbekannten in den Wirtschaftsplänen, die jetzt wesentlich differenzierter betrachtet werden können, so z. B. Dr. Michael von Teichman, der die Verwaltung ausdrücklich für diese Arbeit lobte, nicht ohne in darauffolgenden Nebensätzen gleich wieder kritische Anmerkungen zu machen.
So dümpelt Wilhelmshaven weiterhin ohne Gesamtkonzept vor sich hin und kämpft sich von einer "Baustelle" zur nächsten, als da wären: die Sanierung des Rathauses, ein versprochener und anscheinend längst vergessener neuer Rathausplatz, einem ganz und gar nicht funktionierenden nagelneuen Containerhafen, einer heiss umstrittenen Krankenhauszusammenlegung oder ein im Raum stehender Zukunftsvertrag zwischen Wilhelmshaven und Friesland, um nur einige Dinge zu nennen.
Besserung für Wilhelmshaven, so wie es sich die Verwaltung und einige Volksvertreter, teils mit auffällig stolz geschwellter Brust in dieser Ratssitzung auf die Fahnen schrieben, ist auch weiterhin nicht in Sicht.
Wolf-Dietrich Hufenbach
Dokumentarfilmer | Wilhelmshaven
Links:
Video: Banter See | Freistrahlanlagen | 04-07-2011
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