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Boah: 74 Prozent Wachstum bis 2030
11|06|2013



Flaute auf dem Containerterminal Wilhelmshaven, soweit das Auge reicht.

Ein Sommermärchen.

Nichts ist so beständig, wie der Wandel, besonders, wenn es um die Positivierung eines Milliardengrabes geht.

Das sind doch tolle Aussichten für den trostlos wirkenden Containerhafen am Tiefen Fahrwasser - oder etwa nicht?

Mitten in der sich verschärfenden Krise erscheint ein völlig objektives Gutachten mit Wachstumsraten, die man irgendwie schon einmal gehört hat aber in der "Jetztzeit" nicht so richtig einordnen konnte.

Bevor der Containerhafen gebaut wurde, und natürlich vor der Krise, die wirklich niemand auf dem Schirm haben konnte [Anm. d. Red.: Ehrenwort!] sprach man von Wachstumsraten von etwa 10 Prozent jährlich. Im Verlauf der Krise kreiierte man dann die Zahl von nur noch 5 Prozent und auch im Fraunhofer-Gutachten wird es nicht besser und die Zahl schrumpft auf 4,3 Prozent.

Hier unsere Milchmädchenrechnung:
2030 minus 2013 macht: 17
74 Prozent bis 2030 geteilt durch 17 ergibt: 4,3 Prozent Wachstum pro Jahr.

So einfach gehen durchschnittliche Hochrechnungen. Man hat zwar einen prozentualen Wachstumsrückgang zu verzeichnen, höchstwahrscheinlich wieder ohne Krisenszenarien, aber trotzdem eine Zunahme der Anzahl der Container in den Häfen - man könnte schon hier von einer "unheimlichen Vermehrung der Containerboxen" sprechen, aber das macht sich nicht so gut in Gutachten für Sommerlöcher und Propaganda für noch mehr Subventionen in einem schon heute hochsubventionierten maritimen globalen Geschäft.

Schon heute muss man in diese Rechnung etwa 20 - 25 Prozent Leercontainer einrechnen, d. h. man verschifft Container mit Luft [Anm. d. Red.: ... heisser Luft?].

Auch das "Lokale Heimatblatt" überschlägt sich wieder in Unseriosität und gesellt zu den "guten Nchrichten" für das Milliardengrab Containerterminal Wilhelmshaven eine "nicht repräsentative Umfrage" in der als Aussage hängenbleiben soll, dass 79 Prozent eine neue Vermarktung des Hafens gut finden. Loriot hätte kurz und schmerzlos hinzugefügt: "Ach was"!

Wieviele Vermarktungsversuche in der Vergangenheit schon scheiterten, darauf möchten wir hier nicht mehr eingehen, aber wir haben einmal in der Vergangenheit gewühlt und zeigen Ihnen ein paar Ausschnitte aus dem Gutachten "JadeWeserPort regionalwirtschaftliche Wirkungen.pdf" aus dem Jahre 2005, damit man den "Größenwahn" auch völlig alleine in Zusammenhang mit seiner unterirdischen "public relation" [PR] einschätzen kann.

Auf Seite 49 des Gutachtens "JadeWeserPort regionalwirtschaftliche Wirkungen.pdf" heisst es:
Zitat: " ... Die Finanzanalyse geht von einer Auslastung im Jahr der Inbetriebnahme des Hafens [2010] von 0,8 Mio. TEU aus, welche sich jährlich mit einer Steigerungsrate von 27,5% erhöht, so dass im Jahr 2015 die Vollauslastung der Kapazität erreicht wäre. ... "

... der Containerterminal wurde aber erst im Herbst 2012 eröffnet [Anm. d. Red.: ... seltsam].

2010 erwartete man 32 Jumbo-Containerfrachter, 75 Midi-Containerfrachter und 250 Feeder-Containerfrachter, also insgesamt: 357 Schiffe, 2011: 456 Schiffe, 2012 schon 581 Schiffe und 2013: 723 Schiffe.
[Quelle: "JadeWeserPort regionalwirtschaftliche Wirkungen.pdf" | Seite 50]

Der reale Irrsinn wird deutlich, wenn man weiss, wieviele Schiffe wirklich nach Wilhelmshaven kommen, nämlich genau 2 pro Woche!

Hier unsere Schiffsmilchmädchen-Hochrechnung für das Jahr 2013:
2 pro Woche, macht 8 pro Monat x 12 gleich: 96 pro Jahr ... hmmm ... kommt irgendwie überhaupt nicht hin, da müssten wir noch ein wenig gehörig dazulügen dazuinterpolieren.

... übrigens, 2023 sollen es laut des Gutachtens aus dem Jahre 2005 945 Schiffe pro Jahr sein [85 Jumbo-Containerfrachter, 198 Midi-Containerfrachter und 662 Feeder-Containerfrachter], die den Containerterminal Wilhelmshaven anlaufen - eigentlich - wir sind gespannt!

Ja und dann waren da ja noch die Kosten für das inzwischen entstandene Milliardengrab, z. B. die Hinterlandanbindung. Die veranschlagte man mit satten 27,25 Millionen Euro Steuermitteln, die ´mal eben auf 500 Millionen Euro explodierten.

Damit diese nicht vorhersehbaren Mehrkosten letztendlich auch in das Projekt einfliessen konnten, stellte die SPD im Bundestag eine "Kleine Anfrage" [Sicherstellung der Schienen-Hinterlandanbindung des Tiefwasserhafens JadeWeserPort | Drucksache17/1793 | 17. Wahlperiode 19. 05. 2010] - es war also nicht nur die CDU, in Person von Hans Werner Kammer, die die Kosten letztenlich in exorbitante Höhen und somit förmlich explodieren liessen.

Hier ´mal ein paar Kostproben aus der Kleinen Anfrage:
Zitat: " ... Der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven ist ein zentrales Zukunftsprojekt für den Nordwesten Deutschlands. Als Container-Tiefwasserhafen ist das Bauvorhaben von überragender nationaler Bedeutung. ...

... Für den Tiefwasserhafen sind Investitionen in Höhe von ca. 950 Millionen Euro geplant, davon rund 600 Millionen Euro aus Steuermitteln für den Bereich Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund haben die Vorgängerregierungen keinen Zweifel an der nationalen Bedeutung des Bauprojektes aufkommen lassen. ...


... 7. Wie bewertet die Bundesregierung das Gutachten des Hochschulinstituts für Logistik(HILOG), wonach es nach der Fertigstellung des Tiefwasserhafens bereits nach den bisherigen Planungen vor allem an den Schnittstellen zwischen Straße und Schiene zu Engpässen kommen wird?


8. Wie ist der derzeitige Planungsstand bei dem Schienenbauprojekt?


9. Wie wird die Bundesregierung gewährleisten, dass der zwischen Bund, den Ländern Bremen und Niedersachsen und der DBAG vereinbarte Zeitplan eingehalten wird?


10. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Deutsche Bahn AG ihren Verpflichtungen nachkommt? ... "


So funktioniert politischem Nachdruck bei Kostenexplosionen, egal, ob das Sinn macht oder nicht, und dann wundern sich meistens genau dieselben PolitikerInnen, warum für "Freiwillige Leistungen", marode Fahrradwege oder für die Bildung so wenig Steuermittel übrig bleiben oder eine völlig irre Gesundheitsreform auf Kosten von Personal und Patienten entstehen kann.
 
Allein die SteuerzahlerInnen "investierten" gezwungenermassen 1,15 Milliarden Euro in einen Hafen, der buchstäblich auf Sand gebaut ist, ein Containerhafen, der händeringend nach Ladung sucht [nicht eingerechnet: Suprasturktur, Ausbildungskosten, Geschäftsführergehälter, Gesellschafts- und Vermarktungsgesellschaftskosten, Güterverkehrszentrum (GVZ), Autobahnanbindung, ...].

Rechtliche Fragen sind bis heute ungeklärt, wer z. B. die Mehrkosten von etwa 50 Millionen Euro Stahlaufpreis trägt oder wer das Geld für die Sanierung der nagelneuen Spundwand zahlt, die ebenfalls mindestens 50 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Woher der Containerterminal Wilhelmshaven zukünftig seine Ladung bekommen wird, das weiss wieder einmal nur der Wind und die SteuerzahlerInnen werden wieder einmal auf die Zukunft vertröstet - irgendwann, ganz ehrlich, da wird sich dieser Hafen vielleicht einmal rentieren, vielleicht - hätte - wäre - wenn!

... ach ja, das hätten wir beinahe vergessen, wo sind eigentlich die weiteren acht weltgrößten Containerbrücken und war da nicht was mit "Verlängerung der Kurzarbeit"?

Ahoi! ... Fortsetzung des Sommermärchens folgt - garantiert!


Wolf-Dietrich Hufenbach
Dokumentarfilmer | Wilhelmshaven


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