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Die Audienz 27|02|2015
Was Wladimir Putin kann, kann "Mutti" schon lange.
Eine heilige Soap mit Angela und Franz
Ob es eine Artikel-Schnitz-Maschine gibt? Eine Stanze, die in allen deutschen Redaktionen steht und den immer gleichen Käse aus vergorenem Quark herstellt? Wer das immer noch nicht glauben mag, der sollte sich die Berichterstattung über den Besuch der Kanzlerin bei Papst Franziskus anschauen. Wollte man sie in einem Begriff zusammenfassen, dann wäre `höfisch´ das einzig mögliche Wort. Mit zwei Wörtern wäre der Besuch und seine mediale Verarbeitung auch unter `heiligem Schleim´ zu rubrizieren. Ehrfürchtig staunend liegen die Redaktionen auf dem Bauch, wagen kaum den Kopf zu heben, und können aus dieser Perspektive nur Quaken: "52 Minuten gilt es zu schlagen", schreibt die SÜDDEUTSCHE. Denn so lange war Obama beim Papst. Die Zahl hat die Merkel bei ihrer Audienz knapp verfehlt.
Der STERN weiß zum Kanzler-Papst-Besuch, dass "Auguren vermelden". Wo heilig draufsteht, ist auch heilig drin. Da reicht so ein primitives Wort wie "berichten" nicht. Das muss "vermeldet" werden. Und da der deutsche Durchschnitts-Redakteur nicht ge- sondern ver-bildet ist, wirft er den Augur mal eben in seinen Sprachsalat, nicht wissend, dass der Augur in römischen Zeiten so eine Art Wahrsager war, der aus dem Vogelflug die Zukunft der Staatsprojekte voraussagte. Nun also vermelden die Wahrsager vom STERN: "Fast 50 Minuten [Besuchszeit]. 20 Minuten sind üblich, 30 Minuten gelten als Ausdruck von Wichtigkeit. Angela Merkel also: very, very important person, Doppel-VIP-Status. Die mächtigste Frau der Welt, Protestantin ... " salbt der STERN fort, kann sich aber nicht das Wort "Protestantin" verkneifen. Und alle, alle nutzen das Wort ebenfalls, denn es erhöht die REGIERENDE nur weiter, soll doch der Leser denken: Obwohl sie nur Protestantin ist ... kannze mal sehen, wie weit sie es gebracht hat.
Kaum einer der Redaktions-Frösche mag auf den Merkel-Satz von ihrem vorigen Papst-Besuch verzichten: "Das nächste Mal gehen wir auf die Piazza und essen eine Pizza." Da kichert die Uckermärkerin, hihihihi, und der Redakteur lacht herzlich, hohohoho. Dero Gnaden haben zu scherzen beliebt. Auch wenn der Witz letztjährig ist, der wird so lang zitiert bis er in Wattenscheid zum Sprachgebrauch gehört. Zumal die SÜDDEUTSCHE weiß: "Privataudienzen hoher Staatsgäste beim Papst sind so privat, sehr nahe an der Beichtsituation, dass die Öffentlichkeit meist nur einige Randdaten daraus erfährt." Doch gab es einen Randsatz der Merkel den sie alle zitierten: "Wie nicht anders zu erwarten, war es ein sehr bereicherndes Gespräch." Cool, total cool, auch diese inhaltsfreie Formulierung fanden die Redakteure einfach unschlagbar. Den hätte auch Honecker über einen Breshnew-Besuch sagen können. Oder Kaiser Wilhelm nach einem Treffen mit Queen Victoria. Auch munkelt man, er sei bei einer Begegnung von Cäsar und Kleoptra gefallen. Also ein Satz von geradezu historischer Bedeutung.
Die WELT - deren Name bereits ein Irrtum ist, sind doch ihre Redakteure geistig selten über Spandau hinaus gekommen - hebt wie all die anderen auch den Besuch Merkels bei Annette Schavan raus: "Abends dann ließ sich die Kanzlerin intellektuell unterhalten: Merkels ehemalige Bildungsministerin und enge Freundin Annette Schavan amtiert seit einem knappen Jahr als Botschafterin Deutschlands im Vatikan." Schavan? Die Betrugs-Doktorin intellektuell? Aber wenn die REGIERENDE sich doch unterhalten lassen will?! Bei Hof ist nichts zu doof. So bleibt es den klugen Köpfen von der FAZ überlassen, den politischen Aspekt der Staats-Visite herauszuheben: "Der Papst habe [so die Kanzlerin] gerade die ukrainischen Bischöfe zu Gast, und so habe man sich detailliert austauschen können". Diesen detaillierten Ausflug in die hohe Diplomatie - der dereinst in den Merkel-Memoiren unter der Überschrift "Wie ich die Bischöfe über die Ost-Ukraine belehrte" zu finden sein wird - ließ die SÜDDEUTSCHE nicht ruhen: "Wladimir Putin hatte schon im November 2013 vorbeigeschaut ... schreckte halb Rom auf mit seiner imposanten Autoeskorte." Hatte er wieder Panzer dabei? Und warum schreckte er nur das halbe Rom? Wo er doch der Schrecken aller Welt ist.
Huldvoll teilte die Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz den ehrfürchtig lauschenden Medien zum Merkel-Besuch in Rom mit, dass es leider nicht zu einer Pizza auf der Piazza käme. Keiner der Journalisten mochte nach dieser qualifizierten Sachinformation die Frage stellen, ob Frau Merkel sich in Rom nach der Herkunft des Vermögens des Kölner Erzbistums von 3,35 Milliarden Euro erkundigen wolle, das zeitgleich bekannt geworden war. Oder nach der Verwendung von den 59 Millionen Euro Jahres- Gewinn, die auch aus der staatlich eingetriebenen Kirchensteuer resultieren. Mit solch profanen Fragen wollte keiner der höchst investigativen Journalisten eine Seifenoper belasten, die den Konsumenten ihrer Medien doch nur eins vermitteln sollte: Alles ist gut, und wenn mal nicht: Mutti wird´s schon richten. Im Zweifelsfall beten Sie einfach mal ne Runde.
Uli Gellermann | rationalgalerie
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