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Kinder sind doof
26|09|2012



Was die USA treibt, ist wohl doch nicht so ganz durchsichtig, wie es scheint. Die Süddeutsche gibt Nachhilfe für die kleinen auf ihre Art.

Schöne Grüße von der "Süddeutschen Zeitung"

Liebe Kinder,

vier mal im Jahr geben wir die "Süddeutsche" für Kinder heraus. Wir von der Redaktion nennen solche Beilagen "Anzeigenfänger".

In der letzten Beilage hat der "Roland Rechtschutz" eine ganze Anzeigen-Seite bezahlt und die Dickmacher-Firma McDonalds auch eine. Die süße Kinderuhren-Firma FLIKFLAK hatte nur Geld für eine Viertelseite, die von Home & Office haben ein halbe Seite beigesteuert, da kam ein Haufen Kohle zusammen. Weil aber zwischen den Anzeigenseiten auch noch irgendwas Redaktionelles stehen muss, haben wir diesmal das Thema "Amerika" verwurstet: "Ein Heft über das mächtigste Land der Welt".

Mit einem Foto von der Michelle Obama, der Frau des amerikanischen Präsidenten, haben wir eine Geschichte aufgemacht, der wir den Titel "Der Weg zur Freiheit" gegeben haben. Da erzählen wir Euch, dass die Vorfahren von Michelle Sklaven waren: "Die Schwarzen hatten keinerlei Rechte", schreiben wir da und tun so, als hätten sie heute welche. Deshalb schreiben wir auch nicht, dass die schwarzen Amerikaner immer noch zu den Ärmsten im Land gehören, die dreckigsten Arbeiten machen müssen, die schlechtesten Wohnungen haben und mit Abstand die meisten Gefängnis-Insassen stellen. Sie halten auch den Todesstrafe-Rekord: Keine andere Bevölkerungsgruppe in den USA wird so häufig auf dem elektrischen Stuhl gegrillt, mit einer Giftspitze zu Tode gefoltert oder einfach aufgehängt. Wie früher. Aber das könnte ja Euren Glauben an den "Weg zur Freiheit" irre machen. Deshalb ist davon nichts zu lesen.

Nicht weit von der "Neger-Story" steht dann die "Go-West-Story". Damals schickte der Präsident Thomas Jefferson Abenteurer los, um einen Weg vom Osten in den Westen Nord-Amerikas zu finden und irgendwie folgte daraus die Besiedlung der Indianer-Territorien. Das erzählen wir als Entdecker-Expedition. Von den Folgen, den Millionen Indianern, die an unseren Krankheiten krepiert sind, die Hungers starben weil wir ihnen das Land wegnahmen, die durch die Zwangsumsiedlungen ermordet wurden, davon: Kein Wort. Auch, dass die Ureinwohner bis in die 70er Jahre hinein zwangschristianisiert, Indianerinnen sterilisiert und ihre Kinder aus den Familien gerissen wurden, um die Kultur und die Sprache der Indianer zu zerstören: Damit wollten wir Euch nicht belästigen.

Offen und ehrlich schreiben wir: "Amerika ist das reichste Land der Welt, trotzdem sind viele Leute arm." Diese wohlfeile Ehrlichkeit kaschieren wir mit folgendem, wunderbaren Satz: "Weil es der Wirtschaft schlecht geht, gibt es weniger Jobs." Das müsst ihr Euch so vorstellen: Ihr seid ja auch schon mal krank, dann geht es Euch schlecht. Da ist dann - außer einem Virus oder dem lieben Gott - keiner dran schuld. Bei Euch kommt dann der Arzt. Die arme Wirtschaft muss ganz von alleine wieder gesund werden. Eine ähnliche Methode verwenden wir, wenn wir über die Armee der USA schreiben: "Amerikas Soldaten sind auf der ganzen Welt verteilt. Das gefällt nicht jedem." Das liest sich doch ganz ehrlich. Aber an dieser "Verteilung" ist, so liest man es bei uns, eine echte "Zwickmühle" schuld: "Wenn sie [die USA] sich nicht einmischen, heißt es, die Vereinigten Staaten von Amerika kümmern sich nur um sich selbst." Wegen dieser schrecklichen Zwickmühle waren die USA in Vietnam und sind heute in Afghanistan. Und niemand dankt es ihnen!

Tja, liebe Kinder, "Wir alle sind Amerikaner", weil wir Jeans tragen, Hamburger essen oder Facebook nutzen. Zwar ist Amerika "in manchen Teilen der Welt verhasst", aber wohin so eine Haltung führt, dass haben die "schrecklichen Anschläge auf das World Trade Center gezeigt." Liebe Kinder, wir halten Euch für doof und wir möchten ganz gerne, dass ihr doof bleibt. Deshalb bieten wir unsere Propaganda-Beilage auch Euren Lehrern an. Die sollen uns helfen Euch zu verblöden. Wir hoffen sehr, dass diese politische, ideologische Beeinflussung keinem Kultusminister auffällt, denn natürlich ist Indoktrination an Schulen eigentlich verboten. Aber die Kultusminister sind, im Normalfall, noch blöder als Ihr.


Mit manipulativen Grüßen

Euer Onkel Kurt Kister

Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung


Uli Gellermann

Quelle: Rationalgalerie

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